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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Strömung zu stark war, sie trieb ihn in Richtung der Schleusenluke, die als silberne, quadratische Öffnung ganz hinten in dem tiefgrünen Raum schimmerte, in dem er sich jetzt befand.
    In diesem Moment entdeckte er den Blinker, nach dem er getaucht war. Oder besser gesagt einen Gegenstand, der der Blinker hätte sein können.
    Er glitzerte ungefähr einen Meter unter ihm wie Gold im Bodenschlamm.
    Und für einen Augenblick stellte er sich vor, die langen, gekräuselten Algen seien die Haare der Kolbäckstöchter, die diesen glitzernden Schatz bewachten.
    Er begriff, daß es nur eine Möglichkeit gab, sich den Blinker zu angeln, ohne daß ihn die Strömung haltlos auf die Schleusenluke zutrieb (und die war gefährlich, denn man konnte sie nicht durchqueren, wohl aber darin steckenbleiben und ersticken), nämlich die Beine langsam herumzuschwenken und zu versuchen, dieses glitzernde Ding – was immer es sein mochte – mit den Zehen des rechten Fußes zu packen.
    Sobald er sich querlegte, wurde er von der Strömung erfaßt. Jedesmal wenn er diesen goldglänzenden Flecken, der der Blinker sein mußte, zu ertasten versuchte, wirbelten seine Zehen kleine Schlammwolken auf, die ihn völlig verdeckten. Seine Lungen schmerzten vom Sauerstoffmangel.
    Wir fangen noch einmal an. Wir geben nicht auf, dachte er.
     
    Über ihm war der ganze Sommer. Ein sanfter Wind ging durch die Bäume. Eine Wasseramsel schwebte auf der anderen Seite der Insel im offenen Teil der Stromrinne über dem Wasser. Von fern war das Geräusch eines EPA-Traktors zu hören, eines dieser billigen Traktoren, die aus dem Vorderteil eines Lastwagens gemacht waren und die damals in der Kriegszeit von den Bauern benutzt wurden, wenn sie sich keine richtigen Traktoren beschaffen konnten.
    Schwärme von Möwen folgten dem Traktor auf seinem Weg.
    Es war unsere Landschaft und war doch nicht die unsere. Es waren unsere Leben, die begonnen hatten, und waren doch nicht die unseren.
    Ich bin nie so klug gewesen wie damals. Ich wußte, wie fremd ich war, aber ich wußte auch, daß die anderen genauso fremd waren. Im Universum ist niemand zu Hause.
    Als Nicke wieder an die Oberfläche kam, war er durch den Sauerstoffmangel fast blau im Gesicht. Er konnte nur mit Mühe zum Rand schwimmen, und nachdem wir ihn über die steinerne Einfassung hinaufgezogen hatten, dauerte es fast fünf Minuten, bis er reden konnte. Er lag da und schnappte nach Luft wie ein kleiner, sehr schlammiger Fisch. Ein Geruch von grobem Bodenschlamm, von uralten Steinen, von verblichenem Seegras und fauligem Matsch umgab ihn.
    Allmählich begriffen wir, warum er so schlecht geschwommen war, als er an die Oberfläche kam, und warum er soviel Mühe gehabt hatte, sich allein am Rand hochzuziehen. Er hielt die rechte Hand immerzu krampfhaft um etwas geballt.
    Wir dachten, er würde sterben. Mitten an diesem warmen Junitag zitterte er vor Kälte.
    – Was ist passiert? fragten wir ihn.
    Seine einzige Antwort war zunächst, mit den Zähnen zu klappern. Schließlich versuchte er etwas zu sagen, und nach einer Weile gelang es ihm, so deutlich zu sprechen, daß wir ihn verstehen konnten.
    – Der Blinker war nicht da, sagte er. Ich habe ihn nicht gefunden.
    – Aber was hast du denn dann in der Hand?
    Er sah seine Faust an, als habe er völlig vergessen, daß die Hand geballt war.
    – Was hast du da drin? Was hast du da drin?
    Vor Aufregung tanzten wir förrnlich um ihn herum. Daß es nicht der Blinker sein konnte, war uns klar, denn sonst hätten ihm die Angelhaken längst tief in die Hand geschnitten.
    Er öffnete sie langsam, als sei sie viel zu lange geballt gewesen. Er schien genauso neugierig darauf zu sein wie wir, was nun eigentlich drin sein würde.
    Wir wurden ganz still, atemlos.
    Vom Grund der Schleuse von Färmansbo hatte Nicke eine schwere Goldmünze heraufgeholt, einen Golddukaten aus der Zeit von Carl XIV. Johan, den einzigen, der jemals dort gefunden worden ist.
    (Das blaue Buch VI:1)

 
     
     
    7
    Das beschädigte Notizbuch

 
     
     
    Der Blick von Großmutter Teklas Augen, dieser uralte Blick. Dieselbe Dunkelheit wie die des Universums draußen zwischen den Galaxien.
    Sie war 1870 in der Gemeinde Berg geboren und hat bis zum vorigen Jahr gelebt. Ein kleines, watschelndes Mütterchen im Altersheim von Hallstahammar, ganz präsent, wenn man sie besuchen kam, eine schöne Glasschale mit Bonbons auf der Kommode, die aus Nußbaum war, eine völlige Geborgenheit in der Welt.
    Während der

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