Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
›Betrügerischer Konkurs‹. Da freut der sich. Sie haben sozusagen freie A uswahl, Herr Zwerger.«
»Haben Sie mit meiner Frau geschlafen, Lipka?«
»Mit Ihrer Exfrau? A ch, Zwerger, das ist für die Sachlage völlig unerheblich. A ber wenn Sie schon fragen: Ein wenig ausgehungert kam sie mir vor.«
Da war wieder dieses Lächeln, das Karl so auf die Nerven ging.
»Herr Zwerger, meine Präferenz wäre: Wir machen das gemeinsam und sehen zu, was optimal herausspringt. Für jeden von uns. Ohne dass uns da strafrechtlich etwas um die Ohren fliegt. Diesen Part übernehme ich, und um die Befriedigung Ihrer Gattin kümmere ich mich auch. Sie können sich ja dann Ihrer reizenden Frau Disponentin widmen. Ich mag es übrigens nicht, wenn man mich für blöd verkauft. Den Porsche können Sie behalten.«
Karl Zwerger zeigte auf den Schuppen.
»Kommen Sie, dann reden wir wie Geschäftsleute.«
»Na also, Herr Zwerger. So mag ich’s.«
Karl machte die T ür des Schuppens auf und ließ Herrn Lipka den V ortritt.
»Haben Sie da drin auch noch ein Büro? Das mit den ›richtigen‹ A kten?«
»Sozusagen. Nach Ihnen …«
Lipka ging in den Schuppen, Karl folgte ihm und schloss die T ür. Dann ging alles sehr schnell. Mit zwei Hieben hatte Karl den Konkursverwalter am Boden und fesselte ihm mit zwei alten Stricken Beine und A rme auf den Rücken. Über den Mund bekam er ein Stück Heavy-duty-Klebestreifen, wie Ultraleichtflieger es immer im Gepäck haben.
»Jetzt kannst du die Sachlage analysieren, du Hennen-Scheißer, du blöder! Zeitnah und vor Ort, bis du schwarz wirst! V ielleicht ist ja meine Ex so ausgehungert, dass sie dich suchen kommt!«
Karl Zwerger lachte, verließ den Schuppen, schlug die T üren zu, verrammelte sie und warf den Schlüssel so weit er konnte in die W iese hinein.
Er schnallte einen Plastikkanister voll Sprit mit zwei T ransportriemen unter den Motorträger der Cosmos, flutete nochmals den V ergaser und zog die Starterleine. Schon beim zweiten V ersuch schnurrte der Rotax-Zweitakter wie ein Eichhörnchen auf V iagra, das nur nach oben wollte.
Rita war fast die ganze Nacht durchgefahren, aber kurz vor Sonnenaufgang waren ihr die A ugen zugefallen. Sie hatte die Raupe an den Straßenrand gelenkt, sich die Decke genommen und geschlafen. A ls sie aufgewacht war, mochte es kurz vor Mittag gewesen sein, und Rita hatte noch geschätzte zwanzig Kilometer vor sich. Ein Katzensprung, selbst mit einer Planierraupe, vor allem wenn sie bedachte, wie weit das A llgäu weg war, samt Karl und seinem Konkurs. T rotz allem hatte sie den Spaß am Steuern der Raupe nicht verloren. Nur war sie mittlerweile bereits so routiniert an den Hebeln, dass die trüben Gedanken wieder frech wurden und versuchten, ihr von hinten ins Hirn zu kriechen. W ieder wollten sie ihr einflüstern, dass ihr Leben bis jetzt nichts als eine Summe des Scheiterns gewesen war. A ber Rita dachte gar nicht daran, sich wieder klebrige Finger zu holen an der Zuckerwatte der Schwermut. Rechts der Straße sah sie ein Maisfeld, zog den rechten Hebel und brach in Zickzacklinien durch die Stauden wie eine Sau durchs Unterholz. Danach fühlte sie sich leicht und beschwingt. Schon gut, wenn man eine Raupe samt Maisfeld hatte statt eines nölenden Kassentherapeuten wie die meisten Menschen in diesem Lande.
Gegen Nachmittag kam Rita auf dem Flugplatz Peenemünde an. Das A real war beeindruckend, sowohl von seiner Größe als auch seiner Lage. Nach dem Mauerfall war sie mit ihren Eltern ein paarmal dort gewesen, auf der alten löchrigen Beton-Landebahn hatten ein paar vereinzelte Segelflugzeuge und drei einmotorige Cessnas mit verwitterter Lackierung herumgestanden. Ein kleines handgemaltes Holzschild verwies auf ein Museum zur Geschichte des Flugplatzes, auf dem Hitler seine W underwaffe gegen den Rest der W elt dann doch nicht termingerecht hatte fertigschustern können. Die Russen, die das Gelände während der DDR -Zeit als Flugplatz für ihre MIG -Jagdbomber genutzt hatten, waren längst in die T iefen der russischen T aiga und T undra verschwunden. Dafür herrschte jetzt ein Massenauftrieb von schwerem Erdbewegungs-Gerät aus dem Baumaschinensektor.
Schon aus der Entfernung hatte Rita das große T ransparent gesehen, das über dem verlassenen W achhäuschen gespannt war:
1. DEUTSCHE MEISTERSCHAFT
PRÄZISIONSPLANIEREN
Rita konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: Das war also wirklich die erste deutsche Meisterschaft in dieser Disziplin,
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