Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
das für eine Baustelle? Haben Sie da Kies geliefert?«
»Wo??? Zarnewanz? W as soll ich denn da droben für eine Baustelle haben? W eiß ja nicht mal, wo das ist!«
»Wie auch immer. Sie sollten jedoch zeitnah bei der Zoll-Dienststelle in Kempten vorsprechen und vor Ort eine A ussage zu dieser A ngelegenheit machen. Es liegt da angeblich auch ein Protokoll Ihrer Disponentin vor, den Einsatz einer Planierraupe betreffend. V ielleicht ist das ja unsere fehlende FL 10 C .«
»Vielleicht ist’s auch der Heilige Geist.«
»Meine Rede: Nur den Humor nicht verlieren. Übrigens: Hatte sich Frau Zieschke nicht krank gemeldet?«
»Leckt’s mich doch am A rsch! A lle beide!«
Als Lipka und Karin draußen waren, wurde Karl Zwerger trotz seines Suffs augenblicklich klar, dass die Kacke definitiv am Dampfen war. Rita war also mit diesem Deppen von Fricker in Mecklenburg und richtete dort Unheil an. Morgen würde er diesem Spuk ein Ende bereiten. Im Moment wusste er nicht, was stärker war: seine A ngst um Rita oder seine W ut auf Fricker. Er nahm sich noch einen doppelten W hiskey und haute sich auf seine Liege. Der Intimus 600 surrte kläglich vor sich hin.
Das kleine Feuer auf dem Dorfplatz war heruntergebrannt, der Mond stand leuchtend am Himmel. Sie hatten wieder mal W ürstchen gegrillt, Pastor Priplow hatte selbst gebackenes Brot gebrochen. Der halbe Kasten Bier des Pastors war schnell ausgetrunken gewesen, aber Lars und Mirko hatten tatsächlich zwei Mädchen aus dem Dorf gefunden und waren mit ihnen in Richtung des kleinen W äldchens verschwunden. Ewald saß auf der Friedhofsmauer und spielte einen traurigen T ango auf dem A kkordeon, den er einmal im Radio gehört hatte. Rita hockte vor dem Feuer und wärmte sich. Ihr kamen fast die T ränen, so schauerlich schön klang das A kkordeon unter dem Mecklenburger Sternenhimmel. Pastor Priplow kam mit zwei Gläsern Rotkäppchen-Sekt aus dem Pfarrhaus und setzte sich neben Rita.
»Auf unser schönes Gotteshaus. Danke, dass du mir heute den Kopf gerettet hast bei den Zöllnern. Der Zöllner ist ja an sich schon quasi ein biblisches Menetekel.«
Rita lächelte, aber in Gedanken war sie ganz bei Ewald und seiner Musik.
»Wir sind jetzt in einem A lter, in dem man sich überlegen muss, ob man nicht doch Kinder haben möchte. Hast du darüber schon mal nachgedacht, Rita?«
Rita schüttelte den Kopf.
»Irgendwann ist es zu spät dafür. Ein paar Kinder würden sich auch hier im Pfarrhaus gut machen, wir Evangelen dürfen ja. Und hier fehlen Frauen wie du.«
Niels Priplow fing an, ihr auf die Nerven zu gehen.
»Schön spielt er, dein Raupenfahrer. Der T ango ist Sehnsucht, vielleicht auch nach Geborgenheit. A ber für die wahre Geborgenheit braucht man jemanden, der einem intellektuell gewachsen ist.«
»Einen wie dich?«
»Ja, vielleicht. Bleib doch hier, Rita. Bring die Sache mit deinem V ater wieder in Ordnung. Schon deiner Mutter zuliebe.«
»Niels, tu mir einen Gefallen: Kümmer dich um deine Kirche, bring dein eigenes Leben in Ordnung, und gib mir bitte keine Ratschläge, wie ich mein Leben verbringen soll.«
Niels Priplow nickte und goss Rita noch einen Schluck nach.
»Gut, dass du wieder da bist. Stur warst du ja schon immer. A ber das Haupthaus und der westliche Seitenflügel sind sehr schön geworden. Es finden Konzerte statt und A usstellungen. W ollen wir nicht mal hingehen morgen früh? W enn du möchtest, begleite ich dich.«
»Hör auf zu predigen, Niels! Ich will meinen V ater nicht sehen und schon gar nicht um V ergebung betteln! Meine ganze Kindheit ist in diesem Gutshaus draufgegangen, uns alle hat er tyrannisiert mit dieser Ruine! Meine Mutter hat ihr ganzes Leben verkackt in diesem Gefängnis! Die hätte meinem V ater schon vor zwanzig Jahren den Krempel hinschmeißen und sich die W elt ansehen sollen, anstatt sich für dieses bescheuerte Gutshaus den Buckel krumm zu schuften! Ist doch krankhaft, eine ganze Familie zu Sklaven von einem Haufen alter Steine zu machen! A lso lass mich bitte in Ruhe mit diesem Gutshaus! Das ist kein Gutshaus, das ist ein Dreckshaus!«
»Wie gesagt, Rita: Mein Haus steht dir offen. Und nicht nur mein Haus …«
»Lass mich in Ruhe! Ich hab die Schnauze gestrichen voll von Männern, die mir das Paradies auf Erden versprechen!«
Niels Priplow merkte, dass es auch für einen Geistlichen Momente gab, in denen es besser war, einfach nur den Mund zu halten. Den Rest des Rotkäppchens trank er alleine und schweigend,
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