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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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schien er wahrzunehmen. Ewalds starke A rme führten die beiden Hebel kraftvoll und sanft zugleich, seine Füße tänzelten auf den Pedalen, und es sah aus, als singe er seiner Fiat-Allis direkt ins Getriebe und in die Hydraulik, wie sie sich zu bewegen hatte. Der ganze Kerl und seine Maschine waren eine rollende und stampfende Einheit, die nur eins zum Ziel hatte: den vorgegebenen und genau abgemessenen Haufen Kies so schnell wie möglich glattzuschieben.
    Nach ein paar Minuten sahen Rita, die zweitausend anderen Zuschauer und der bleiche echsengesichtige Rennleiter, dass Ewald bereits einen V orsprung hatte, den die anderen nie wieder aufholen konnten. Nur der Hüne auf der Liebherr lag nahezu gleichauf mit Ewald, sein scheinbar spielerischer Umgang mit dem kleinen Joystick, mit dem die Liebherr gesteuert wurde, stand in einem absurden Kontrast zu seinem großen Körper und seinem martialischen A ussehen. Sowohl der Hüne als auch Ewald Fricker hatten ihre Haufen fast zur Gänze niedergemacht, als der Hüne kurz über seine Schulter nach hinten zu Rita blickte und ihr zuzwinkerte.
    Und genau während dieser kleinen V erzögerung hatte Ewald seinen Hügel final glattplaniert und jagte aus einer letzten Drehung heraus direkt zur Ziellinie. Der Hüne auf der Liebherr setzte ihm nach, durch die stärkere Motorleistung holte er auf, aber Ewalds V orsprung war gerade noch so groß, dass er sich als Erster über die Ziellinie retten konnte und die schwarzweiß karierte Zielflagge direkt hinter ihm niederging. Rita wischte sich verschämt zweieinhalb Freudestränen aus den A ugen.
    Zwanzig Minuten später stand Ewald zusammen mit dem Hünen und einem durchtrainierten jungen Mann, der Dritter geworden war, auf dem aus Holz zusammengezimmerten Siegerpodest. Ewald war ganz oben in der Mitte, wo mit roter Farbe die »1« aufgemalt war. Dennoch überragte ihn der Hüne auf der Nummer »2« um mindestens eine Kopfeslänge. Die Country-Band spielte einen T usch. Mit missmutigem Gesicht überreichte der Rennleiter Ewald den Pokal und murmelte dabei etwas, das nur mit großzügigster A uslegung als Glückwunsch verstanden werden konnte. Ewald hob den Pokal nach oben, tosender A pplaus brach los. Der Hüne ließ einen Champagnerkorken knallen, spritzte Ewald von oben bis unten nass und haute ihm kameradschaftlich auf die Schulter. Dann drehte er sich zu Rita um und machte das V ictory-Zeichen. Neben Rita stand ein kleiner Junge, der vielleicht acht Jahre alt war, und klatschte so fest in seine Hände, dass sie ihm fast weh tun mussten. Ewald winkte den Jungen zu sich heran.
    »Willst auch mal Raupe fahren, später, wenn du groß bist?«
    Der Junge nickte eifrig.
    »Pass auf, dann schenk i’ dir den Pokal, und wenn du groß bist, dann gewinnst auch einen. V ersprochen?«
    »Versprochen.«
    Ewald drückte dem Jungen den Pokal in die Hand. Jetzt grölte die Menge, die Country-Band spielte »Glory Glory Hallelujah«, und das V olk sang mit. Rita wischte sich noch eine T räne aus den A ugen. Dann stieg sie auf das Podest und nahm Ewald in den A rm.
    Stumm saßen Ewald und Rita nebeneinander hinter dem alten Bauwagen und sahen auf das Meer hinaus, während der Ostwind in ihren Haaren spielte. V om Festplatz trug der W ind sporadisch Fetzen von Musik und Geschrei herüber, die Party war in vollem Gange, Brot und Spiele, diesmal eben mit Baumaschinen, Currywurst und Räucherfisch. Hin und wieder hörte man ein Raupentriebwerk röhren, vereinzelt stiegen auch schon mal Feuerwerkskörper, die es nicht erwarten konnten, in den Sommerhimmel.
    »Glückwunsch, Ewald. Du hast gewonnen.«
    »Grad schon egal. Ich hab sowieso mal wegmüssen von daheim.«
    Rita nickte. Das Gefühl, ausbrechen zu müssen, war auch ihr nicht fremd.
    »Und heute Nacht? W arum bist du da weggerannt?«
    Ewald sah wortlos aufs Meer hinaus, als sei er der einzige Mensch auf der W elt.
    »Was war das heute Nacht? Habe ich irgendwas falsch gemacht? Habe ich dir irgendwas getan?«
    Rita mochte es nicht, dass Ewald wieder neben ihr saß wie ein taubstummes Stück T rockeneis. Ein halbes Leben lang hatten ihr die Männer ungefragt den Kopf vollgequatscht, und nun gab es wirklich etwas zu reden, und ausgerechnet der Kerl neben ihr brachte das Maul nicht auf.
    »Du, ich hab wegen dir mein halbes Leben samt Prinzipien über den Haufen geschmissen, und du sagst mir jetzt bitte gefälligst, was gestern A bend los war!«
    Ewald schwieg, bockig wie ein kleiner A llgäuer.
    »Ich mag

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