Ritter 01 - Die Rache des Ritters
Falten ließen ihn an die verführerische Zartheit ihrer Lippen denken, als sie ihn auf die Wange geküsst hatte.
Seine Männlichkeit erhob sich mit raschem und kraftvollem Verlangen auf eine Art, die er nie zuvor empfunden hatte. Verlangen nach diesem lieblichen Mädchen, nach dieser faszinierenden Frau, dem sanften Lamm. Der Tochter seines Feindes.
Wie konnte ein so unschuldsvolles Geschöpf von d’Bussys verdorbenem Blut sein? Wie konnte so offensichtliche Tugend von etwas so Bösem abstammen? Er würde vielleicht nie eine Antwort darauf bekommen, denn wenn dieser Tag vorüber und ihr Vater durch Gunnars Schwert getötet worden war, würde Raina ihn fürchten und verachten.
Entschlossen, nicht darüber nachzudenken, schob Gunnar den Fetzen Seide in seinen Handschuh, dann löste er seinen Helm vom Sattel und setzte ihn sich auf. Er war jetzt nicht mehr nur Mann, sondern vor allem Krieger. Jeder Muskel in ihm spannte sich zum Kampf an, und Gunnar zwang sein Herz, hart wie Stein zu werden. Wie er es in der Vergangenheit schon so oft getan hatte, verdrängte er systematisch alles Fühlen und alle Emotionen, bis es nur noch die kalte Kraft seines Schwertes und seiner Muskeln gab.
Er stieg auf sein Pferd und nahm seinen Platz am Rand des Turnierplatzes ein. Wenn der Baron nur den letzten Sieger auszeichnete, dann würde Gunnar dafür sorgen, dass er es war, der den Preis entgegennahm.
Von dem Moment an, in dem das Trompetensignal den Beginn des Wettstreits verkündete, kämpfte Gunnar wie ein Besessener. Er drängte unbarmherzig voran, zog seinen Vorteil aus der Müdigkeit der anderen Teilnehmer und spürte seine eigene nicht, bis der Tag sich neigte und nur noch eine Handvoll Männer übrig waren.
Zum Schluss waren nur noch Gunnar und ein weiterer Ritter übrig. Letzterer war einer von d’Bussys Männern und konnte Gunnar, was die Körpergröße anging, nicht das Wasser reichen. Doch das grimmig angespannte Kinn des Mannes, das der Helm frei ließ, zeigte deutlich dessen Entschlossenheit. Er preschte mit einem schrillen Kriegsschrei heran, während Gunnar sich noch von seinem Pferd herunterbeugte, um seinem letzten Gegner auf die Beine zu helfen.
Gunnar fuhr hoch, riss sein Pferd herum und hob seinen Schild, hatte nur knapp Zeit, sich vor dem Angriff zu schützen. Die Lanze des Ritters krachte gegen Gunnars Schild, trieb ihm die Luft aus den Lungen und brachte ihn für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht. Gunnar klopfte das Herz in der Brust so laut, dass er kaum den Aufschrei der Zuschauer und den Applaus hörte, als er im Sattel schwankte.
Er durfte nicht verlieren. Er musste gewinnen.
Der Ritter wendete sein Pferd und stürmte von Neuem auf Gunnar los, die Lanze erhoben, um mitten ins Ziel zu treffen. Mit einem Grollen in der Kehle ritt Gunnar seinem Gegner entgegen, die Lanze auf dessen Herz gerichtet. Die Erde bebte, als ihre mächtigen Rösser aneinander vorbeidonnerten. Alles wurde plötzlich still, als würde die Zeit langsamer laufen. Gunnar hielt den Blick auf den Schild seines Widersachers gerichtet, auf die Stelle, die er treffen wollte, um ihn vom Pferd zu stoßen. Seine ganze Konzentration galt dieser Stelle, als er sein Pferd vorwärts trieb.
Binnen eines Augenblicks spürte Gunnar den erwarteten Stoß, hörte das krachende Splittern einer Lanze, die ihr Ziel getroffen hatte. Dann, zum ersten Mal in seinem Leben, fühlte er seine Welt wegkippen … und begriff, dass er aus dem Sattel fiel. Er krallte sich in die Mähne des Pferdes, aber sein Handschuh aus dickem Leder verhinderte, dass er fest zugreifen konnte. Sein Pferd schlug aus und versuchte verzweifelt zu fliehen. Gunnar schlug hart auf dem Boden auf, sein Atem ging keuchend.
Der Hengst bäumte sich auf und preschte an den Rand des Platzes, während Gunnar mühsam auf die Beine kam. Er zog rasch sein Schwert und stand bereit, als d’Bussys Mann sich näherte, um ihn zu attackieren. Der Ritter trieb seinem Schlachtross so brutal die Sporen in die Flanken, dass das Tier schrill wieherte und hochstieg, ehe es auf sein Ziel zugaloppierte, schnaubend und keuchend, während Brocken von Erde hinter ihm aufflogen. Ein höhnisches Grinsen zeigte sich unter dem Nasenschutz des Mannes, als er seine Lanze senkte. Gunnar wusste, dass dieser Mann ihn töten wollte, und fragte sich kurz, ob sein Vater sich damals im Kampf gegen d’Bussy auch so gefühlt hatte.
Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, als der Ritter und sein Ross schon bei
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