Ritter 01 - Die Rache des Ritters
gehört hatte.
Ohne der Schicklichkeit und der Notwendigkeit, sein Äußeres zuvor herzurichten, Beachtung zu schenken, warf Gunnar Alaric die Zügel zu, sprang von seinem Pferd und lief wie ein bartloser Jüngling, der krank vor Liebe war, in den Turm. Rainas Stimme umarmte ihn, als er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zu ihr hinaufstürmte. Seine Sporen klirrten laut bei jedem Schritt.
Als er den Treppenabsatz erreichte, bemerkte er mit nicht geringer Enttäuschung, dass die süße Melodie verstummt war. Agnes kam aus seinem Zimmer heraus und lächelte ihn breit an. »Willkommen, Mylord«, begrüßte sie ihn. »Die Lady erwartet Euch in Eurem Zimmer.«
Gunnar kratzte sich den Kopf und warf ihr einen verwunderten Blick hinterher, als die alte Dienerin den Gang hinunterging und vergeblich versuchte, ihr Kichern zu unterdrücken.
Die Tür zum Burgherrenzimmer stand offen, und Gunnar hörte das leise Plätschern von Wasser. Er stand in der Tür und nahm den herrlichen Anblick Rainas bei ihrem Bad in sich auf. Sie lächelte ihm warm entgegen. In der untergehenden Sonne, die vom Fenster gerahmt wurde und ihr Haar aufleuchten ließ, sah sie strahlend aus und überirdisch schön. Der glühende Rubinring an ihrer linken Hand – das Gegenstück des seinen – , winkte ihm zu, als wolle er ihm versichern, dass er endlich heimgekommen war.
»Ich habe dich vermisst, mein Gemahl«, gurrte Raina, und ihr liebevoller Gesichtsausdruck wärmte seine Seele.
»Und ich dich, oh Weib. Ich habe Neuigkeiten von unserem König, aber zuerst würde ich gern das Lied noch einmal hören, das du eben gesungen hast, meine geliebte Lady.« Gunnar betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er wollte heute Abend keine Störungen.
Raina errötete und biss sich auf die Unterlippe. »Nein, du wirst mich auslachen«, wehrte sie ab und ließ ihre Hand spielerisch durch das Wasser gleiten.
»Ich schwöre dir, ich werde nicht lachen.« Gunnar nahm sich einen Schemel und stellte ihn hinter sie, setzte sich darauf und breitete ihr offenes Haar wie einen Fächer über den Rand der Wanne aus. »Bitte, sing es noch einmal.«
Er nahm die Bürste, die Agnes zurückgelassen hatte, und begann, Rainas dichte seidige Locken zu bürsten, ließ seine Finger durch die üppigen Wellen gleiten. Raina setzte sich in der Wanne zurecht, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Sie seufzte zufrieden und begann das Lied zu summen.
Die Melodie klang geheimnisvoll, aber seltsam vertraut. Als Raina leise die Worte sang, wusste Gunnar, dass er sie schon einmal gehört hatte, vor einer sehr langen Zeit. Er wollte das emporgewandte Gesicht seiner engelsgleichen Frau küssen, seines Lämmchens, das so einfach das Herz des Wolfes gefangen genommen hatte. Aber er ließ sie singen, und er war voller Freude, dass sie ihm gehörte und er ihr.
Und es würde noch genügend Zeit geben, Küsse auszutauschen, jetzt, da er wieder zu Hause war.
»Bist du denn nicht ein wenig neugierig, warum ich singe, mein Gemahl?«
»Mmm?« Er unterbrach seine Arbeit, hob den Blick und bemerkte, dass Raina ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen betrachtete. Er lächelte nachsichtig. »Warum singst du, meine Gemahlin?«
»Es ist ein Wiegenlied. Agnes hat es mir beigebracht.«
»Aha.« Er küsste sie auf die Stirn und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den dunklen seidigen Wellen ihres Haars zu. »Sing es noch einmal; es gefällt mir.«
»Ich fürchte, du wirst es bald nicht mehr hören können.«
Gunnar lächelte. »Willst du damit sagen, dass du nur dieses eine Lied kennst?«
»Nein«, sagte sie mit einem leisen Lachen, »aber es wird das Lied sein, das du noch sehr oft hören wirst, denn ich werde es im nächsten Sommer für unser Kind singen.«
Gunnar hielt inne, als ihm die Bedeutung der Worte aufging. Rainas Augen lächelten ihn strahlend an, als er ihrem Blick begegnete. Sein verblüffter Gesichtsausdruck musste ihr geholfen haben, seine Gedanken zu lesen, denn sie nickte aufgeregt und begann zu lachen.
»Du meinst – «, begann er, aber sein Herz brannte in seiner Kehle und erstickte den Rest seiner Frage.
Raina nickte wieder und drehte sich in der Wanne zu ihm um. Dieses Mal zitterte ihr Lächeln ein wenig. »Und … ist es Euch recht, Mylord?«
Gunnar schüttelte fassungslos den Kopf. Als er ihren fragenden, besorgten Blick sah, brach es aus ihm heraus: »Ob es mir recht ist?«
Er warf die Bürste ins Wasser und hob Raina mit einem
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