Ritter 01 - Die Rache des Ritters
und Beherrschung, die er besaß, aufbringen, um seine Reaktion gleichmütig aussehen zu lassen, unbeeindruckt. Was für ein Dummkopf war er doch gewesen! Was für ein Narr! So gefangen vom Anblick einer hübschen Frau, dass er für die Anwesenheit des Barons blind gewesen war, und schlimmer noch, dass er mit der Tochter dieses Verbrechers plauderte, statt über einen anderen Plan für einen Angriff nachzudenken.
»Was ist denn?«, fragte sie.
Er holte tief Luft, fühlte seine Nasenflügel von der Anstrengung beben und stieß den Atem langsam wieder aus. Er verbarg seine Erschütterung hinter einem nichts sagenden Lächeln, eine Fähigkeit, die er sich in langen Jahren angeeignet hatte, und sah sie an.
Ihr fragender Blick und das Stirnrunzeln verschwanden rasch und verschmolzen zu einem hoffnungsvoll wirkenden Lächeln. »Kennt Ihr meinen Vater?«
»Mylady«, sagte er. »Ich glaube, es gibt von hier bis zum Kontinent keinen Menschen, der Euren Vater oder dessen Ruf nicht kennt.«
»Aye«, entgegnete sie, offensichtlich angetan von seiner Antwort. »Das glaube ich auch.«
Offensichtlich hatten sein unbeschwerter Ton und seine freundliche Miene nichts von der Bitterkeit verraten, die er empfand. Nur er wusste, wie sehr sein Herz vom Hass auf den Dämon seiner Vergangenheit erfüllt war, wie sein Blut vor Zorn kochte.
In diesem Moment kam ein flachsblonder Junge zu Raina gelaufen. Er blieb neben ihr stehen, verschränkte die Hände und räusperte sich. »B-Bitte um E-Entschuldigung, M-Mylady.« Das Stottern des Jungen wandelte sich zu einem schrecklichen Gestammel, während sein Blick nervös zwischen Gunnar und ihr hin und her wanderte. Er holte tief Luft. Als er weitersprach, war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »M-Mylord hat m-mich geschickt, um E-Euch zu h-holen. An seine S-Seite zur Eröffnung des T-Turniers.«
»Danke, Robert.« Sie beugte sich zu dem Pagen herunter. »Du machst das schon viel besser«, flüsterte sie und strich ihm über das lange, weißblonde Haar. »Begleite mich zu den Logen. Ich werde für jeden von uns beiden eine süße Waffel kaufen. Was hältst du davon?«
Beim begeisterten Nicken des Jungen lachte Raina und richtete sich auf. Sie zog ihn an sich, um ihn schwesterlich zu umarmen. Sie sah Gunnar an, ein warmes Lächeln glühte noch in ihren Augen, und er spürte ein seltsames Ziehen in seinem Magen. Ob vor Eifersucht oder Verlangen, er wusste es nicht, auf jeden Fall aber unterdrückte er das Gefühl so rasch, wie es gekommen war.
Sie ist d’Bussys Tochter, sagte er sich. Die Brut seines Feindes, und er durfte ihr keinerlei Gefühle entgegenbringen.
»Ich muss gehen«, sagte sie.
»Natürlich«, murmelte er. Der Baron starrte sie noch immer von seinem Platz in der Loge an, als Gunnar Rainas Hand in seine nahm und sie an seine Lippen führte. Er fühlte sie zittern, als er einen keuschen Kuss auf ihre Finger drückte, fühlte sie rasch atmen, als ihre Wangen sich mit einem unschuldigen Rosa färbten. Aber Gunnars Blick blieb auf das sich verfinsternde Gesicht ihres Vaters gerichtet.
Erst als sie ihm ihre Hand entzog, wandte er den Blick von dem Baron ab und sah dessen Tochter an. »Es war mir ein Vergnügen, Lady Raina«, sagte er und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, weil er damit die Wahrheit sagte.
»Mylord.« Sie bedachte ihn mit einem höflichen Kopfnicken. Dann, vom Kinn bis zum Haaransatz errötend, machte sie auf dem Absatz kehrt und ging mit dem jungen Robert davon.
Gunnar beobachtete ihre durchscheinenden Röcke, die um ihre Beine wirbelten, ihre sanft gerundeten Hüften wiegten sich bei jedem ihrer Schritte. Plötzlich blieb sie stehen, wandte sich um und kam zu ihm zurück.
Sie drückte ihm etwas in die Hand und gab ihm rasch einen Kuss auf die Wange. »Viel Glück«, wisperte sie an seinem Ohr, ging zurück zu dem Pagen und ließ Gunnar neben seinem Pferd stehen wie einen einfältigen Tölpel.
Verwirrt und aufs Höchste überrascht öffnete er seine Hand und starrte darauf. Ein Stück blauer Seide, licht wie der Sommerhimmel, lag dort. Die Ränder des feinen Stoffes kräuselten sich in der leichten Brise, strichen weich und zart über seine schwieligen Finger.
Bei allen Heiligen, sie hatte ihm ihre Gunst geschenkt!
Er wollte den Stofffetzen fortwerfen, zusammen mit den verwirrenden Gefühlen, die sie nach nur zwei kurzen Zusammentreffen in ihm geweckt hatte. Stattdessen hielt er ihn an sein Gesicht und atmete den Duft ein. Die seidigen
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