Ritter des dunklen Rufes
sein.«
Während der nächsten Minuten trafen die übrigen Grafen und Ritter ein. Als letzter erschien der Hohe Seher, ganz in Weiß gekleidet. Errin begrüßte alle und ließ dem Herzog ausrichten, dass der Rat versammelt sei. Wie immer ließ der Herzog sie die obligatorischen zehn Minuten warten, dann marschierten sie alle in den inneren Raum, wo ein langer Tisch stand, mit je sechs Stühlen an den Seiten und zwei an den Kopfenden. Der Herzog saß neben Cairbre und unterhielt sich mit ihm.
Als die Edlen eintraten, winkte der Herzog sie auf ihre Plätze, und Errin nahm auf der anderen Seite neben Cairbre Platz. Der Mann wirkte ausgesprochen erfrischt, seine Augen waren klar, auf seinen blassen Wangen lag Farbe.
»Wie ich sehe, habt Ihr gut geschlafen, Herr Cairbre«, sagte Errin.
»Ich bin gut ausgeruht. Danke für Eure Anteilnahme.«
Die geschäftlichen Dinge des Tages verliefen wie immer. Steuereinnahmen wurden besprochen, und die Zunahme von Raubüberfällen in der Nähe des Waldes. Porteron sprach über das Problem von entlaufenen Sklaven im Westen und den Mangel an guten Erntearbeitern. Man kam überein, vierzig Sklaven in seine Ländereien zu schicken.
»Was verursacht diesen Mangel?« fragte Errin. Porteron blinzelte und wischte sich das schweißnasse Gesicht mit einem Taschentuch ab.
»Es ist kein großes Problem, Graf Errin.«
»Das glaube ich Euch natürlich. Aber handelt es sich vielleicht um eine Krankheit?«
»Nein, nein. Natürlich haben wir den Erlass unseres teuren – und geschätzten – Monarchen buchstabengetreu befolgt, aber wir haben … hatten sehr viele Nomaden, die bei uns lebten. Sie wurden nach Garaden geschickt, und nun … vorübergehend … Ihr versteht … haben wir zuwenig Arbeiter.«
»Ich verstehe. Danke.«
»Wir haben kurzfristige Probleme dieser Art erwartet«, sagte Okessa glattzüngig. »Aber das Land und seine Vornehmen, können von der Entfernung dieser verderbten Kreaturen nur profitieren.«
Alle um den Tisch Versammelten nickten zustimmend. »Wolltet Ihr noch etwas dazu bemerken?« fragte Okessa.
Errin schüttelte den Kopf. »Nein, Hoher Seher. Ich hörte, dass es in Mactha zurzeit an Brot mangelt, weil der dortige Bäcker enteignet wurde.«
»Der Mangel entstand, Graf Errin, weil der schmutzige Nomade sein Anwesen niederbrannte. Man hätte ihn hängen sollen.«
»Darf ich ein Wort dazu sagen, meine Herren?« bat Cairbre und stand auf. »Ich weiß – wie auch der König – dass die Entfernung der Nomadenbrut in vielen Gebieten unmittelbare Härten mit sich bringen muss. Aber das letztendliche Ziel ist es das wert – ein Kreuzzug, wenn Ihr so wollt. Vor weniger als dreißig Jahren beherrschten die Edlen dieses Landes den gesamten Kontinent. Zweihundert Jahre lang haben wir den Barbarenstämmen Gesetze, Bildung und Zivilisation gebracht. Aber wir haben uns gestattet, schwach zu werden, besudelt von dem Blut niederer Völker, und jetzt herrschen wir nur noch über das Land der Neun Herzogtümer. Unsere Stärke, sowohl die körperliche als auch die geistige, ist vergiftet worden. Eine große Säuberung ist notwendig. Bislang lag die Wirtschaft des Reiches weitgehend in den Händen der Kaufleute, also vorwiegend bei Nomaden. Der König wurde machtlos in seinem eigenen Land. Jetzt werden die Finanzen vom König verwaltet, und seine Weisheit steht außer Frage. Die Zukunft, meine Herren, steht vor uns und winkt uns zu. Wenn das Reich von allem Unreinen befreit ist, werden wir uns wieder erheben und über die anderen Völker hinausragen.«
Als Cairbre Platz nahm, herrschte zunächst verblüfftes Schweigen, das allerdings sofort durch den Herzog gebrochen wurde, der heftig applaudierte, gefolgt von dem ganzen Rat. Errin klatschte mit den anderen in die Hände, aber weniger begeistert. Worte und Phrasen durchzuckten seine Gedanken: »Niedere Völker. Brut. Unreinheit. Verderbt.«
»Ich danke Euch, Herr Cairbre«, sagte Okessa. »Eure aufrührenden Worte haben uns zu einer besonders delikaten Angelegenheit gebracht. Wie Ihr wisst, hat der König erlassen, dass jeder mit Nomadenblut nach Garaden geschickt wird. Auf Drängen des Herzogs habe ich damit begonnen, alle Familien mit bekannten Verbindungen zu Nomaden zu überprüfen. Es scheint, dass nur zwei Adelsfamilien in Mactha gemischten Blutes sind.«
Errins Augen huschten über die Tischrunde. Graf Porterons Gesicht war kreidebleich.
»Leider macht es unsere Pflicht gegenüber dem König notwendig, dass auch sie
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