Ritter-Geist
zurückkehren«, sagte Threnodia. »Ihr habt Euch zwar gestern wacker für mich geschlagen, um mich vor dem großen Vogel zu retten, und ich bin Euch auch sehr dankbar dafür, doch wenn uns ein ganzer Schwarm von denen angreifen sollte, sind wir erledigt.«
»Aber wo wollen wir denn sonst hin?« fragte ich verwirrt.
»Ich werde eine andere Gestalt annehmen, eine, die die Schlucht überqueren kann«, sagte sie. »Ich werde früh anfangen, damit ich zur Morgendämmerung bereit bin, dann nehme ich Euch mit. Nur…«
»Jäh?« fragte ich.
»Ich weiß nicht, welchen Weg wir nehmen sollen.«
Ich war noch schlauer als vorher. »Nach Osten, damit wir von dort dann nach Süden auf Schloß Roogna vorstoßen können.«
Sie seufzte. »Ja, natürlich. Aber ich will nicht nach Schloß Ro o gna, ich will nach Hause – und das heißt, die westliche Richtung.«
»Oh«, sagte ich enttäuscht. »Na ja, dann lebt wohl.«
Sie setzte sich neben mich. »Jordan, ich brauche Euch als B e gleitung, das hat mir die Begegnung mit dem Rokh gezeigt. Ihr seid kräftig und tapfer und seid ein guter Bursche – auch wenn Ihr dumm seid. Und ich glaube, Ihr braucht mich auch, denn mein Talent ergänzt das Eure. Wir müssen zusammen reisen. Ich habe keine Lust auf einen Alleinmarsch am Rande dieser Schlucht en t lang, während die Rokhs immer näher kommen.«
»Ja«, stimmte ich zu.
»Aber Ihr wollt nach Schloß Roogna und ich will nach Hause. Das ist ein grundlegender Konflikt.«
»Ich muß meine Mission ausführen«, sagte ich und erkannte, daß es ein Fehler gewesen war, ihr Lebewohl zu entbieten. Ich konnte sie gar nicht gehen lassen.
»Gibt es denn gar keine Möglichkeit, wie ich Euch dazu bewegen kann, mit mir nach Hause zu kommen?« fragte sie.
Aber ich war immer noch dumm genug, um auf meiner Mission zu beharren. »Ich muß Euch entweder auf Schloß Roogna bringen oder bei dem Versuch, es zu tun, sterben«, sagte ich. »Wie der Storch muß auch ich liefern.«
»Obwohl Ihr auf alle Zeiten bei mir bleiben könntet, und alles besitzen würdet, was ich anzubieten habe, sofern Ihr jetzt mit mir kämt?« fragte sie und rückte enger an mich heran. »Obwohl Ihr mich an den Magier Yin verlieren würdet, wenn Ihr mich auf Schloß Roogna brächtet, und obwohl das Schloß selbst dann fallen würde?«
Ich fühlte mich genauso miserabel und dumm, wie ich es auch war. »Ja.«
»Ihr seid viel zu verdammt unkorrupt, als Euch guttut, Barbar.«
»Ja.«
Einen Augenblick lang wandte sie das Gesicht ab, dann sah sie mich wieder an. »Ihr seid der Mann, den ich heiraten will, Jordan, nicht der Magier Yin! Ihr seid kühn und stark und ehrlich und nett, während er noch viel heimtückischer ist, als Ihr begreifen würdet. Bitte, bitte kommt mit mir!«
Nun hatte sie schon offen von einer Ehe zwischen uns gespr o chen. Die Versuchung schüttelte mich durch wie der Wind eines Sturms. Sie war alles, was ich jemals von einer Frau verlangen würde. Jedenfalls dachte ich das damals – und doch konnte ich mich nicht klar dazu durchringen, zu tun, was sie von mir ve r langte. Ich war kein Dieb, nicht mal ein Dieb der Liebe. Ich an t wortete nicht.
»Ich werde Euch etwas zeigen«, sagte sie, fast wild. Sie warf sich förmlich auf mich und drückte mich fest an sich, während sie mich küßte und streichelte.
Und ich, ganz der Idiot, der ich war, dachte gar nicht daran, nach dem Warum zu fragen, oder auch nur darüber nachzudenken, wie unnatürlich sie sich gab. Kaum eine Frau stürzt sich auf einen Mann, den sie gar nicht wirklich heiraten will. Doch weil ich dumm war, und weil sie ihre Anstrengung zeitlich nach dieser Dummheit ausgerichtet hatte, fehlte es mir am richtigen Mißtra u en. Ich war von ihrem Drängen überwältigt. Ich reagierte so, wie sie es erwartet hatte, und ich wußte, daß ich sie liebte, absolut und ewig, was immer sonst auch geschehen mochte. Es gibt keinen größeren Wahn, der einen Mann überfallen kann.
Am nächsten Morgen, noch vor der Dämmerung, weckte sie mich. »Jordan, ich muß mit meiner Verwandlung beginnen«, sagte sie. »Ich liebe dich. Liebst du mich?«
Ich war zwar klüger geworden als vorher, aber das spielte keine Rolle. »Ja«, sagte ich.
»Wirst du mit mir kommen?«
Mein Herz hatte das Gefühl, zu zerbersten. »Nein.«
»Gibt es keine Möglichkeit, dich von deinem Vorhaben abz u bringen?«
»Nein.«
Sie seufzte. »Dann muß ich mit dir gehen, auch wenn es für uns beide die Katastrophe bedeutet.«
Ich
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