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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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teilen, je nachdem wie sie kämpften: Reiter und Fußkämpfer. Diese Unterscheidung ist freilich nicht so trennscharf, wie sie auf den ersten Blick erscheint: Manche Kämpfer ritten zur Schlacht, um dann in ihr zu Fuß zu kämpfen.
    |113| Reiter und Ritter
    Das Mittelalter wird allgemein als Zeit der Ritter wahrgenommen und verklärt. Das Rittertum ist vielleicht die wirkmächtigste ,Erfindung‘ des westeuropäischen Mittelalters – zumindest soweit die Rezeption dieser Epoche in der Moderne betroffen ist. Da wimmelt es von Ritterfilmen und -spektakeln, und auch in Kontexten, die nichts mit dem Mittelalter zu tun haben, taucht die Figur des Ritters auf: so etwa die Jedis in den Star-Wars-Filmen eines George Lucas, die mit Licht-Schwertern kämpfen und einem Ehrenkodex verpflichtet sind.
    Die Faszination des Rittertums ist kein rein neuzeitliches, sondern schon ein mittelalterliches Phänomen. Der junge Parzival – von seiner Mutter fernab des Hofes in der Wildnis aufgezogen – wirft sich beim Anblick der ersten Ritter, die er je sah, voller Ehrfurcht auf den Boden und fragt: „Seid Ihr Gott?“ So lesen wir bei Chr tien de Troyes, einem Dichter des 12. Jahrhunderts.
    Ritter wurden als Ehrfurcht gebietende Erscheinungen wahrgenommen und dargestellt. Dies lag an ihrer prunkvollen Ausstattung: ein Pferd mit prachtvoller Satteldecke, glänzender Helm und Kettenpanzer, Lanze und Schild. Die Ritter glänzen im Sonnenlicht und schimmern in Blau, Gold und Silber, als Parzival sie sieht. Ritter waren, soviel kann man Chr tiens Artusroman entnehmen, gut gerüstet, und ihr Handwerk war der Krieg. Sie waren also zunächst einmal berittene Kämpfer; ihre Angriffswaffen waren vor allem das Schwert und die Lanze, sie schützten sich mit Schild und einer Körperpanzerung.
    Aber nicht jeder, der in einem Panzer auf einem Pferd saß und Lanze, Schwert und Schild dabei hatte, war ein Ritter: Die englische Kriegsforschung benutzt den Begriff
men-at-arms
, um diejenigen Kämpfer zu bezeichnen, die beritten und gerüstet in die Schlacht zogen. Diese Kategorie zielt auf die Ausrüstung und militärische Einsetzbarkeit der Kämpfer, nicht auf deren soziale Stellung. Unter
men-at-arms
werden Ritter und Kämpfer nicht-ritterlichen Status (mitunter als Edelknechte bezeichnet), aber auch Söldner mit der entsprechenden Bewaffnung subsumiert. Für den Einsatz im Kampf war die soziale Stellung zunächst ohne Belang: Auch ohne Ritterschlag konnte ein Kämpfer mit Lanze, Schwert und Schild agieren. Die Bezeichnung ,Ritter‘ ist vielschichtig und bedarf der Erklärung.
    |114| Der Schild – Schutz und Waffe
    Wenn wir etwas ,im Schilde führen‘, so weist diese Redensart auf die mittelalterliche Vergangenheit unserer Gesellschaft zurück. Auf dem hochmittelalterlichen Schild waren farbige Kennzeichnungen (Wappen) angebracht, mit denen man Freund von Feind unterscheiden konnte. Wenn man den Schild mit dem Wappen sah, wusste man also, zu welcher Partei der Schildträger zu rechnen war. Der Schild war eine flexible Defensivwaffe, deren Form und Größe (im Verhältnis zum Kämpfer) variieren konnte. Die Schilde der Fußkämpfer waren in der Regel größer als die der Reiter. Ab dem 12. Jahrhundert wiesen die Reiterschilder ihre charakteristische Dreiecksform auf, die sich im Design der Wappenschilde bis heute bewahrt hat. Schilde dienten aber nicht nur als Defensiv-, sondern auch als Angriffswaffe, wie etwa die Abschnitte zum Schildfechten in Fechthandbüchern aus dem 15. Jahrhundert belegen.
    Unsere modernen Vorstellungen vom mittelalterlichen Rittertum sind meist einseitig und auf einen bestimmten Aspekt dieses Phänomens beschränkt; als Ritter erscheinen uns strahlende Helden auf schnellen Pferden, die um schöne Frauen minnen und sich in Turnier und Kampf auszeichnen. Zum Ritter |115| wird man durch den Ritterschlag, ein Ritter ist edel und gerecht, kühn und ehrlich. Dieses Bild entspricht zu weiten Teilen dem, was uns die höfisch-ritterliche Kultur des 12. und 13. Jahrhunderts – wie etwa die Dichtungen eines Wolfram von Eschenbach (Parzival oder Willehalm) – vorstellt. Die Wirklichkeit, zumal die des mittelalterlichen Krieges, ist ungleich komplexer. Es lassen sich drei Aspekte des mittelalterlichen Rittertums unterscheiden: der militärische, der gesellschaftliche und der kulturelle. Blicken wir zunächst auf die Entstehung des Rittertums. Ein Ritter ist – soviel sagt schon das Wort – jemand, der auf einem Pferd reitet. Ohne

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