Ritter und Raufbolde
und Kriegsdienst ließ sich nicht nur als Privileg, sondern auch als Last interpretieren. Jemand, der über die entsprechende Ausstattung an Land und das daraus resultierende Auskommen verfügte, wer also ökonomisch zum Stand der Ritter gehörte, musste deswegen noch nicht erpicht darauf sein, als Ritter im Krieg zu kämpfen. Die lehnsrechtlichen Verpflichtungen erlaubten in der Regel, einen Ersatz zu schicken. Das Lehen verpflichtete den Vasall, eine bestimmte Anzahl von speziell ausgerüsteten Reitern in den Krieg zu schicken, nicht aber, persönlich in den Krieg zu ziehen. Andere Adlige verweigerten sich dem Status eines Ritters mit aufwändiger Ausstattung, weil sie die Kosten scheuten, die mit dem entsprechenden Kriegsdienst verbunden waren. Das Rittertum hatte eine heroisch-strahlende Dimension und eine praktische, die aus den Gefahren und Unwägbarkeiten des Krieges und seiner ökonomischen Dimension bestand.
|118| Schwert – Von der Hieb- zur Stichwaffe
Die waffentechnische Entwicklung des Schwertes läuft parallel zu den Änderungen der Körperpanzerung. Die Bestandteile der Waffe: Klinge, Griff (mit Knauf) und die dazwischenliegende Parierstange, welche die Hand des Kämpfers schützen soll, bleiben dabei unverändert. Form und Schwerpunkt der Schwerter wurden aber an unterschiedliche Kampfesweisen angepasst. Solange man sich durch Kettenhemden schützte, wurde das Schwert als Hiebwaffe eingesetzt: Es hatte eine scharfe Klinge, aber kaum eine Spitze. Ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert kamen Plattenharnische auf. Die einzelnen Platten schützen gegen einen Schwerthieb, also wurde das Schwert zur Stoßwaffe umfunktioniert: kürzer, schmaler und nun mit spitzer Klinge.
Krieg war für den Ritter schon deswegen teuer, weil er in der Regel nicht allein agierte. Auch wenn das Ideal des heldischen Ritters ein individuell agierenden Streiter ist, so bedurfte der mittelalterliche Ritter der Begleitung: Ein Knappe hielt Lanze und Schild für ihn bereit, ein Knecht versorgte die Pferde. Zu einem Ritter gehörten mindestens drei Pferde: das Schlachtross, welches nur in der eigentlichen Kampfsituation zum Einsatz |119| kam, ein Reitpferd und ein Pferd für den Knappen (und den Knecht). Diese kleinste militärische Einheit aus einem Ritter und seinem Gefolge wird wegen der Lanze als auffälligstem Bestandteil der Bewaffnung auch Lanze oder Gleve genannt.
Die militärische Bedeutung der Reiterkrieger
Im militärisch-taktischen Sinne lag die Effizienz der Reiterkrieger im massierten Angriff mit eingelegter Lanze: Pferd, Reiter und Lanze wurden zu einer kinetischen Einheit, welche die Geschwindigkeit des Anreitens an einem kleinen Punkt in Stoßenergie umwandeln und auf den Feind übertragen konnte. Die Durchschlagskraft der lateineuropäischen Reiter war im Mittelalter legendär: „Ein Franke auf seinem Pferd ist unbezwingbar; er könnte ein Loch in die Mauern von Babylon schlagen.“ 7
So beschreibt die byzantinische Prinzessin Anna Komnene die Wirkung der christlichen Kreuzfahrer, die sie als ,Franken‘ bezeichnet. Ebenso vielbeschrieben war auch die Verwundbarkeit der gepanzerten Reiter, wenn der erste Angriff fehlgeschlagen war oder sie gar vom Pferd gefallen waren. So fährt die Autorin fort: „Wenn er [der Franke] aber von seinem Pferd steigt, kann jeder, der das will, sich über ihn lustig machen.“ 8
Zwar sind moderne Darstellungen, in denen sich Ritter per Flaschenzug auf ihre Pferde hieven lassen mussten, Fiktion – zumindest, was den Krieg angeht. Die Beweglichkeit der Ritter war aber durch die Schutzbewaffnung (Kettenhemden oder Plattenpanzer) sehr eingeschränkt. Ein einzelner Ritter – sei er nun zu Pferd oder zu Fuß – konnte leicht das Opfer einer Gruppe von Fußkämpfern werden.
Ritter fochten nicht immer zu Pferd – auch das ist ein moderner Mythos vom mittelalterlichen Krieg. In zahlreichen Schlachtschilderungen quer durch das ganze Mittelalter wird |120| von Aktionen berichtet, in denen Reiterkrieger zu Fuß kämpften. So soll König Arnulf von Kärnten († 899) seinen Mannen bei einer Schlacht gegen die Normannen im Jahr 891 befohlen haben, zu Fuß zu kämpfen – und war mit dieser Taktik erfolgreich. Wenn Reiterkrieger zu Fuß kämpfen, verweisen die Quellen immer wieder auf den Zusammenhang von Pferd und Flucht. Wer auf einem (schnellen) Pferd sitzt, hat die Möglichkeit, sich auch schnell aus dem Staub zu machen. Anders gesagt: Wer sich zu Fuß in die Schlacht begibt, hat
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