Ritter und Raufbolde
die Grundlage für einen effizienten Heeresdienst zu schaffen. Die gesellschaftliche Berechtigung für diese Verteilungsstruktur lag in der Fähigkeit des Adels, Land und Leute zu schützen, lag in der militärischen Kompetenz. Die Erziehung und Ausbildung eines adligen jungen Mannes zielten, wenn er nicht für eine geistliche Laufbahn vorgesehen war, auf den Kampf: Er lernte reiten, fechten und mit der Lanze zu kämpfen. Weltliche Adlige präsentierten sich als Krieger: Auf Siegelbildern sehen wir sie in Rüstung hoch zu Ross, auf Grabbildern ebenfalls in Rüstung mit dem Schwert in der Hand.
Man kann auf den mittelalterlichen Adel einen Begriff der modernen Soziologie anwenden: Gewaltkompetenz. Der Adel war diejenige Gesellschaftsschicht, die sich durch die Kompetenz in Sachen Gewaltanwendung auszeichnete. In diesem Sinne waren sie sicherlich die professionellsten Krieger des Mittelalters, eine Art Berufskriegertum. Die Mitglieder des mittelalterlichen Kriegeradels waren daran gewöhnt, Gewalt auszuüben, und zwar in verschiedenen Zusammenhängen: als Mann in einer patriarchalen Gesellschaft, als Adliger in einer ständischen Gesellschaft, als Krieger in einer kriegerischen Gesellschaft und als Christ gegenüber Heiden in einer christlichen Gesellschaft. Auch wenn nicht in jeder dieser Konstellationen notwendigerweise Gewalt im Spiel war und psychologisierende Aussagen über die Vergangenheit immer schwierig sind: Es steht zu vermuten, dass dieser alltägliche Umgang an und die Erziehung zur Gewalt von Kindesbeinen an nicht ohne Auswirkungen auf die kriegerischen Kompetenzen dieser Männer geblieben sind: Sie wussten, wie und wann man Gewalt einzusetzen hatte (und auch wann nicht). Gewalt war ein wesentlicher Bestandteil ihres Ehrverständnisses und damit ein – vielleicht das wichtigste – Vehikel zur sozialen Profilierung.
|25| Der mittelalterliche Adel umgab sich mit Symbolen und Rangattributen, die man auch als Hinweis auf die Bedeutung von Gewalt lesen kann: Das Schwert war die Standard- und Standeswaffe des Adels, vielleicht ist es die mittelalterlichste aller Waffen. Es nimmt in unserem Bild dieser Epoche einen festen Platz ein, weil es eng mit dem Rittertum verknüpft ist. Durch Schwertleite und Ritterschlag wurde der Knappe zum Ritter (vgl. S. 117). Das Schwert war also nicht nur eine Waffe, sondern auch ein Statussymbol.
Ab dem späten 11. Jahrhundert konzentrierte sich das adlige Leben meist um Burgen als Herrschaftszentren. Nun begannen sich die Familien nach ihren Stammburgen zu benennen – so etwa die Habsburger nach der ,Habsburg‘ oder ,Habichtsburg‘ in der Nähe von Zürich. Eine Burg war aber bei allen repräsentativen und wirtschaftlichen Funktionen immer auch ein Wehrbau. Er diente militärischen Zwecken und macht so nicht nur die latente Unsicherheit der Zeit augenscheinlich, |26| sondern auch den kriegerischen Anspruch seiner Bewohner: Wer auf einer Burg residierte, war ein Kriegsherr. Der mittelalterliche Adel war ein Kriegeradel.
Die Burg als Wehrbau
Jede Burg hatte auch den Zweck, ihre Bewohner vor einem feindlichen Angriff zu schützen. Diverse Befestigungselemente – wie Mauer, Graben, Wall, Tor und Türme – dienten dazu, die Kampfkraft der Besatzung gegenüber möglichen Angreifern zu steigern: Man brauchte deutlich weniger Männer, um eine Burg zu verteidigen als für den Angriff. Erst mit dem Aufkommen von Kanonen war die Zeit der klassisch mittelalterlichen Burgen mit hohen und schlanken Türmen vorbei: Die Burg entwickelte sich militärisch gesehen zur Festung. Burgen waren aber immer auch Repräsentationsbauten, die weit ins Land den Herrschafts- und Machtanspruch ihres Besitzers kommunizieren sollten.
Der Zusammenhang zwischen Gewaltkompetenz und gesellschaftlicher Stellung lässt sich auch am mittelalterlichen Waffenrecht nachvollziehen. 1152 erließ der römisch-deutsche König Friedrich I. Barbarossa einen allgemeinen Landfrieden, der unter anderem auch regelte, wem es erlaubt sein sollte, Waffen zu tragen:
Wenn ein Bauer Waffen, Lanze oder Schwert trägt, soll ihm der Richter, in dessen Amtsbereich er sich befindet, die Waffen fortnehmen oder stattdessen zwanzig Schilling vom Bauern erhalten.
Während den Bauern also das Recht zur Bewaffnung verwehrt wurde, durften, ja sollten sich Kaufleute auf ihren Handelsreisen bewaffnen:
Ein Kaufmann, der in Geschäften über Land reist, soll sein Schwert an seinen Sattel binden oder auf seinen Wagen legen, damit er nicht
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