Ritter und Raufbolde
Niveau betreiben wollte. Defensivwaffen, wie Panzerung oder Helme, waren ebenso teuer wie professionell gefertigte Angriffswaffen, etwa ein Schwert. Da die Ausrüstung in der Regel vom Kämpfer selbst zu stellen war, konnten sich etliche, vor allem aus den bäuerlichen Schichten eine aufwendige Bewaffnung nicht leisten. Man kann also den relativen Reichtum und die soziale Stellung im Mittelalter auch an der Art der Bewaffnung und dem Einsatz im Krieg ablesen. Jan van Heelu schildert in seinem Gedicht über die Schlacht von Worringen 1288 zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Herzog von Brabant das Eingreifen einiger Bauern und Städter und beschreibt ihre Ausrüstung:
Aber ich werde erst berichten, wie sie mit ihren Knüppeln, die mit Eisenspitzen versehen waren, hinzukamen und zu Werke gingen, die kühnen Bauern von Berg, die, in der Sprache Brabants, zu Recht Dorfleute genannt werden. Diese kamen alle, wohl zum Kämpfen bereit, in der Gewohnheit, die dort besteht. Ein Großteil von ihnen hatte Wams und auch Haube, ein Teil sogar Panzer; zwar |22| der Schwerter mit scharfen Klingen wollten sie sich nicht bedienen; aber Knüppel hatten sie alle, am Ende mit großen Hufnägeln gespickt. Ihren Scharen hatten sich die Kölner mit ihren Abteilungen beigesellt: In ihrer Gesellschaft sah man glänzende Kettenhemden, Halsberge und Schwerter blinken. 3
Während die Bauern als die ärmsten nur mit einfachen Schutzwaffen (Wams und Haube) und mit selbst gefertigten Keulen kämpfen, sind die wohlhabenden Städter deutlich besser ausgerüstet: Sie tragen Kettenhemden und kämpfen mit Schwertern. Halsberge oder Haubert bezeichnet hier ein Ringelpanzerhemd. Der Unterschied in der Bewaffnung wird auch im Erscheinungsbild deutlich: Aus den Reihen der Städter blinkt es auf, weil ihre Waffen aus Eisen bestehen. Das erklärt ihre höhere Effektivität und ihren höheren Preis.
Das Kettenhemd – Körperschutz aus Eisenringen
Das Kettenhemd war ein Körperschutz aus eng miteinander verwobenen Eisenringen, die ein dichtes Geflecht bildeten. Es schützte vor allem gegen Stiche und war dennoch relativ beweglich. Es wurde ab dem 12. Jahrhundert – in der Folge der Kreuzzüge unter orientalischem Einfluss – mitunter um Fäustlinge und Kopfhaube ergänzt. Kettenhemden brachten es auf ein Gewicht von durchschnittlich 25 kg, stellten also eine enorme Belastung für die Physis der Kämpfer dar. In der mittelhochdeutschen Literatur tauchen für das Kettenhemd verschiedene Bezeichnungen auf: ringe oder halsberc (Haubert). Der Terminus ,Brünne‘ kann sowohl das Kettenhemd als auch den Schuppenpanzer bezeichnen.
|23| Im Mittelalter war der Schritt vom Nicht-Kämpfer zum Kämpfer vergleichsweise gering: Jeder, der körperlich in der Lage war, einen Knüppel oder sonst eine einfache Waffe zu führen, war ein potenzieller Kämpfer. Auch wenn es ein hochspezialisiertes Kriegertum gab, war das Mittelalter doch eine Zeit, in der es wenig Vorbereitung oder Anstrengung bedurfte, um im Krieg für einen Gegner gefährlich agieren zu können. Dies unterscheidet mittelalterliche Kriege von solchen modernen Auseinandersetzungen, die mit technisch komplizierteren und nur industriell zu fertigenden Waffen (Artillerie, Panzerfahrzeuge, Flugzeuge) geführt werden.
Adlige im Krieg
Das Bild von der dreigliedrigen Gesellschaft, in welcher der Krieg eine Domäne des Adels ist, bedarf noch einer weiteren Korrektur. Natürlich waren die Adligen im Mittelalter nicht ausschließlich mit Kriegführung beschäftigt. Die adlige Lebensform umfasste wesentlich mehr, wie etwa die Verwaltung der Ländereien, die Rechtsprechung, den Königsdienst, um nur einige Aspekte zu nennen. Wenn man sich mit dem Krieg befasst, ist es wichtig, nicht nur die aktiven Kämpfer, sondern immer auch deren Opfer im Blick zu behalten. In diesem Sinne war der Krieg ganz sicher nicht nur eine Sache des Adels: Unter ihm gelitten haben alle Teile der Bevölkerung.
Und dennoch: Das Bild von der dreiteiligen Gesellschaft – mit dem Adel als dem kämpfenden Drittel – hat seine Berechtigung. Der Adel war die einzige Gruppe der mittelalterlichen Bevölkerung, die den Krieg als Existenzberechtigung und wenn schon nicht als individuellen Lebens-, so doch als kollektiven Standesinhalt ansah. Der Adel war von allen körperlichen Arbeiten – etwa auf dem Feld – freigestellt; er besaß Land und |24| Leute, die für ihn arbeiteten. Ihm wurde vom König oder Fürsten Land anvertraut, um somit
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