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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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den er lebend verteidigt hatte. 10
    So kommentieren die Paderborner Annalen eine Niederlage König Lothars III. († 1137) gegen die Böhmen im Jahr 1126. Die Vorhut des Königs war vom Gegner angegriffen und vernichtet worden. Die Kämpfer sind aber nicht geflohen, sondern haben tapfer bis zum letzten Mann gekämpft. Dieses Verhalten wird – auch jenseits dessen, was uns heute zweckrational erscheint – als vorbildlich gelobt.
    Oftmals wird aber gerade die Flucht eines Königs mit eben solchen rationalen Argumenten entschuldigt oder begründet. |32| Wenn der König bei einer Niederlage in Gefangenschaft geraten oder gar getötet werden sollte, wäre dies für die unterlegene Seite fatal. Herrschaft basiert im Mittelalter auf persönlichem Kontakt, auf der Person und den persönlichen Fähigkeiten des Herrschers. Fällt ein Herrscher aus – zumal unvorhergesehen –, gerät das Herrschaftsgefüge ins Wanken. Gerade im Fall einer Gefangennahme erwuchsen den Siegern enorme Vorteile, weil sie die Freilassung des Königs an politische Bedingungen und finanzielle Forderungen knüpfen konnten. So war es für die Stellung Frankreichs im Krieg mit England – dem sogenannten Hundertjährigen Krieg zwischen 1337 und 1453 – desaströs, dass König Johann der Gute von Frankreich 1356 in der Schlacht bei Poitiers in Gefangenschaft geriet. Frankreich musste erhebliche politische Zugeständnisse machen und etliche Ländereien an England abtreten. Hinzu kam ein Lösegeld in Höhe von drei Millionen Écus. Diese französische Goldmünze enthielt circa 4,2 Gramm Gold, sodass sich das Lösegeld auf über 12 Tonnen belief. Um die Forderung erfüllen zu können, |33| führte die französische Krone eine neue Form der Steuer ein, die der Grundstein für die erste regelmäßige Besteuerung der Franzosen werden sollte. Zudem wurde eine neue Münze geschaffen: der
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, der Vorläufer des Franc. Aus Niederlage und Gefangenschaft ergaben sich in diesem Fall also letztlich Impulse für die staatliche Entwicklung des französischen Königreiches.
    |32| Der Dolch – Gefürchtete Stichwaffe
    Der Dolch zeigt wie keine andere Waffe des Mittelalters, dass es im Krieg ums Töten ging. Dies wird besonders am sogenannten Gnadendolch (lateinisch misericordia ) deutlich. Mit dieser Stichwaffe versetzte man dem besiegten Gegner den Gnadenstoß; anders formuliert: Man brachte ihn um. Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Dolch als Zweit- oder Beiwaffe neben dem Schwert Teil der ritterlichen Ausrüstung; er wurde aber auch von Fußkämpfern verwendet und im Spätmittelalter zum Ausweis des freien und waffenfähigen Mannes allgemein. Der Name Degen für die bekannte Fechtwaffe der Neuzeit leitet sich vom langen Dolch der Fußkämpfer im späten 15. Jahrhundert ab.
    |33| Trotz dieser weitreichenden Folgen wurde das Verhalten König Johanns von seinen Zeitgenossen keineswegs durchgehend kritisiert. Er hatte alle Beschwörungen seiner Berater, sich im Angesicht der drohenden Niederlage vom Schlachtfeld zu entfernen, abgewiesen. Rückzug galt ihm als unehrenhaft, was sich auch in den Statuten des von Johann gegründeten Sternenordens niederschlug. Die Mitglieder dieses Ritterordens gelobten unter anderem, sich nie von einem Schlachtfeld zurückzuziehen. Ob Johanns Verhalten bei Poitiers tatsächlich von den Vorschriften des Ordens beeinflusst war, ist ungewiss. Sicher ist, dass er die sich ihm bietende Chance zur Flucht nicht nutzte. Dieses Verhalten mag heute als irrational und fahrlässig erscheinen – und so wurde es auch von einigen mittelalterlichen Zeitgenossen gewertet –, es entsprang und entsprach aber auch einem ganz bestimmten Verständnis von Königtum, Heldenmut und Krieg. Jean Froissart († 1404), ein Chronist aus dem Hennegau, berichtet über Johann bei Poitiers wie folgt:
    Er [König Johann] blieb von Anfang bis Ende auf dem Schlachtfeld, ganz wie es sich für einen tapferen Ritter und starken Kämpfer wie ihn geziemte. Er zeigte sich entschlossen, sich nie zurückzuziehen, wenn er seinen Männern befohlen hatte, zu Fuß zu kämpfen. Nachdem er also befohlen hatte abzusitzen, tat er es seinen Männern gleich und stand in vorderster Linie mit einer Streitaxt in der Hand. 11
    |34| Hier wird der König nicht nur als Feldherr und Oberbefehlshaber, sondern auch als Kämpfer gezeigt. Wo die Staatsräson und die Aufgabe eines Feldherrn Rückzug und Flucht verlangen, bleibt der tapfere Kämpfer und lässt seine Männer nicht im

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