Rittermord
weiterging, würde uns letztendlich nichts anderes übrig bleiben, als katzbuckelnd den Rückzug anzutreten.
»Was soll der Quatsch?« mischte ich mich ein. »Glauben Sie ernsthaft, Hermann wird was anderes erzählen als sein Chef? Lassen Sie sich den Schlüssel zur Kühlhalle geben!«
»Sie legen es wahrlich darauf an, daß ich Sie knebeln lasse«, knurrte Emmelmann. »Sie haben schon genug vermasselt!«
Emmelmann schickte die Uniformierten los, um Hermann zu holen, der in einem Anbau hinter der Remise wohnte. Da meine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, hatte ich meine liebe Mühe, wieder hochzukommen. Logisch, daß mir keiner half.
Jakob nutzte die Gelegenheit, um seine Position als Opfer zu festigen, und erzählte seinen aufmerksamen Zuhörern, daß ich ihm erst vor wenigen Tagen unterstellt hätte, seinen Bruder aus Habgier ermordet zu haben. Emmelmanns Blicke verrieten nichts Gutes. Er würde mich foltern. Mir blieb nur eine Chance.
Ich nahm den Kopf runter und rammte ihn Emmelmann in den Wanst. Er kam aus dem Gleichgewicht, stürzte und begrub Jakob unter sich. Kurz, der versuchte, seinem Chef beizuspringen, rempelte ich mit einem Bodycheck aus dem Weg. Die Bahn war frei.
Ich stürzte zur Wendeltreppe und lief die Stufen hoch. Mit den Händen auf dem Rücken war das gar nicht so einfach, zweimal drohte ich übers Geländer zu kippen. Aber ich war im ersten Stock, bevor die anderen sich aufgerappelt hatten.
Das Wohnzimmer ließ ich gleich aus und warf mich gegen die nächste Tür, wo ich auf dem Marmorboden eines de-Luxe-Bades landete. Eine Tür weiter war das Klo. Blieb nur noch die Tür am Ende des Flurs. Ich trat zu, und die Tür flog aus den Angeln. Gina saß im Bett und wollte kreischen, erkannte mich aber rechtzeitig und klappte den Mund wieder zu.
»Du bist meine letzte Rettung!« japste ich und kroch neben sie auf die Matratze. »Hand aufs Herz, wo war Jakob während der letzten zwei Stunden?«
Ihr Blick irrte zwischen mir und der Tür hin und her, wo Emmelmann, Kurz und Jakob bei ihrem Versuch, gleichzeitig durchzukommen, steckengeblieben waren.
»Nun sag schon«, sagte ich. »Wie lange war er weg?«
»Uberhaupt nicht«, sagte sie. »Er war die ganze Zeit hier.«
Ich ließ mich zur Seite kippen und wünschte mir eine tiefe und vor allem langanhaltende Ohnmacht. Aber nicht einmal die war mir vergönnt.
Kapitel 29
Als ich langsam die Stufen der Polizeiwache am Werther Tor hinunterschritt, ging die Sonne auf. Sie tat das wie immer im Osten, aber sonst war nichts mehr, wie es mal war. Ich hatte eine Anzeige wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und unerlaubtem Waffenbesitz am Hals. Außerdem mußte ich mit einer Klage auf Schmerzensgeld für die Nase und auf Schadensersatz für die Schlafzimmertür rechnen.
Van der Wimst war tot und dermaßen unauffindbar, daß Emmelmann mir gegenüber sogar geäußert hatte, er bezweifle die Existenz dieses Mannes. Sollte er glauben, was er wollte. Ich wußte, wie einfach der Beweis zu führen war. Davon sagte ich dem dicken Bullen aber nichts, denn das war jetzt ganz allein meine Sache.
Bis auf einen Zeitungsboten auf einem schwankenden Rad und ein paar junge Frauen, die hinter den Fenstern der Post Briefe sortierten, lag die Stadt noch in den Federn. Im Schaufenster eines Kosmetikstudios mit angegliedertem Höschenverkauf sah ich, daß die Saisonfarbe für Dessous weinrot war. Mir konnte es egal sein. So, wie mein Privatleben zur Zeit aussah, hätte ich die Sachen schon selber anziehen müssen.
Ich ging quer durch die Stadt rauf zum Orchheimer Tor. Für einen Moment war ich versucht, Beate aus dem Bett zu klingeln. Aber dann stieg ich in meinen Wagen und fuhr nach Engelgau.
*
Der beste Beweis, daß van der Wimst kein Phantom war, stand im Gebüsch am Rand der Frohngauer Straße. Der Holländer hatte den Peugeot abgeschlossen, aber das Schloß war kein großes Hindernis. Drinnen roch es wie am Abend zuvor nach Schweißsocken.
In den Ablagefächern der Türen und zwischen den Sitzen war der übliche Autokram verstaut. Stadtplan, Eiskratzer, Parkscheibe, Kleingeld und ein Päckchen Fromms. Ähnlich ging’s im Handschuhfach weiter, nur, daß da zusätzlich eine Ruger.44 Magnum vom Gewicht einer Haubitze und mit einem Lauf wie ein Ofenrohr steckte. Die Zulassung klemmte an der Sonnenblende.
Ich ging nach hinten und kroch in den Laderaum. Dort lagen eine Schaumstoffmatte und ein Armeeschlafsack, der sich als
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