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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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war. In den Händen hatte er einen Karton gleicher Machart gehalten, wie sie hier zu Hunderten herumstanden. Das Gesicht des Mannes hatte mir schon damals nichts gesagt, aber dafür erinnerte ich mich um so deutlicher an andere Einzelheiten der Aufnahme, wie das Stück Mauer oder das seltsame, aufrecht stehende Rechteck.
    Plötzlich ertönte ein Rumpeln, und der Boden begann leicht zu vibrieren.
    »Shit!« raunte van der Wimst. »Die fahren das Roll tor hoch.«
    »Dann haben sie uns«, sagte ich. »Im Gang hängt noch das Seil.«
    »Nicht wenn ich vorher oben bin und es hochziehe.« Er schob das Tor auf. »Versteck dich irgendwo.«
    Mit drei Sätzen war er am Seil und turnte hoch, daß Tarzan neidisch geworden wäre. Ich blickte in die andere Richtung. Das Rolltor ratterte weiter nach oben. Zwei Paar Stiefel waren zu erkennen. Außerdem hörte ich einen Diesel im Leerlauf. Ich schob das Tor der Kühlkammer wieder zu und verkrümelte mich mit Fotoapparat und UV-Lampe hinter den höchsten Stapel Eierkartons. Jetzt blieb nur zu hoffen, daß der Laster Möhren brachte und keine Eier abholen wollte.
    Das Rumpeln hatte ein Ende. Dafür hörte ich Stiefelschritte und das helle Sirren eines Elektrostaplers. Sie machten sich in der Kammer direkt nebenan zu schaffen. Stimmen waren zu vernehmen, wenn ich auch nicht verstand, was da geredet wurde.
    Als ich so still hinter den Kartons auf der Erde kauerte, merkte ich schnell, daß vier Grad nicht weit weg von null war. Solange ich mich bewegt hatte, war das kein Problem gewesen, aber jetzt bekam ich ruckzuck steife Knochen. Um den Schaden zu begrenzen, machte ich ein wenig Gymnastik.
    Plötzlich erscholl ein lauter Ruf. Sofort setzten sich die Stiefel in der Kühlkammer nebenan in Bewegung und trabten den Gang hinunter.
    Ich verließ mein Versteck und lauschte am Tor. Absolute Ruhe. Vorsichtig schob ich das Tor auf, aber nur so weit, daß ich den Kopf durchstecken konnte.
    Rechter Hand, vor dem Rolltor, parkte ein Lkw mit offenen Laderaumtüren. Zur Hälfte war er mit Paletten voll Eierkartons beladen. Und er hatte ein niederländisches Kennzeichen. Menschen sah ich nicht. Ich blickte nach links. Auch da war niemand zu sehen. Die Leute mußten in den Vorraum gegangen sein.
    Der Vorraum! Da hatten wir ja die Foto- und Werkzeugtasche sowie die überzählige Bergsteigerausrüstung abgestellt. Jetzt hatten sie uns am Arsch.
    Als ob ich meine Gedanken per Megaphon verkündet hätte, flog die Tür zum Gang auf, und zwei Männer in Arbeitskluft und Stiefeln stürmten herein. Ich machte gar nicht erst den Versuch, mich noch mal zu verstecken, denn sie würden jeden Winkel durchkämmen. Hier half nur abhauen.
    Ohne mich um die Brüllerei hinter mir zu kümmern, sprintete ich in Richtung Rolltor und ließ Kamera und Lampe zurück. Es war zwar schade um die Aufnahmen, aber jetzt war erst einmal Fellretten angesagt.
    Ich lief durch das offene Tor, umkurvte den Lkw und rannte hinaus in die Dunkelheit. Einfach in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Als ich mich kurz umdrehte, sah ich das Stück Mauer neben der Halle, den Lkw und die rechteckige Tür, die zu dem Umspannungskasten im Hintergrund gehörte. Von hier hatte Josef also die Aufnahme gemacht.
    Einer der beiden Verfolger war in den Lkw geklettert, startete die Maschine und schaltete das Fernlicht ein. Ich machte, daß ich weiter kam, raus aus der Reichweite der Scheinwerfer. Für van der Wimst war die Situation auf dem Dach gewiß ungemütlich, aber solange sie hinter mir her waren, keineswegs bedrohlich. Er mußte sich nur still verhalten, während ich für die Unterhaltung sorgte.
    Da es absolut finster war und der Boden uneben, kam ich ein paar mal ins Stolpern, konnte aber Stürze vermeiden. Das ›wuschwusch-wusch‹ der Rotoren signalisierte mir, daß ich die WKAs passierte und der Maschendrahtzaun gleich kommen würde. Der Zaun war eher da, als ich stoppen konnte. Ich lief hinein, der Zaun federte zurück und schleuderte mich rücklings in den Dreck.
    Mein Herz raste, meine Lungen brannten, und ich hätte gerne ein Viertelstündchen geruht, aber daran war nicht zu denken. Meine Verfolger hatten sich motorisiert. Ein Fahrzeug mit einem Suchscheinwerfer, vermutlich ein Geländewagen, hoppelte über den Acker. Er kam nicht direkt auf mich zu, sondern hielt sich weiter nördlich. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er auch hier aufkreuzen würde. Ich mußte schleunigst das Loch im Zaun finden.
    Meiner Berechnung nach waren

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