Rivalin der Götter erbin3
Anhänger gesehen hätte. Ihr Sohn richtet sich auf und geht zu ihr hinüber, um sie zu begrüßen. Sie schaut ihn nicht an, berührt ihn abwesend an der Schulter und sagt etwas. Er geht hinein. Sie verweilt dort und beobachtet ihren Geliebten mit dem Fanatismus einer Hohepriesterin. Doch er wendet sich ihr nicht zu.
Ich verlasse diesen Ort und erstatte Nahadoth und Enefa Bericht, wie mir geheißen wurde. Eltern schicken ihre Kinder oft als Spione und Friedensstifter, wenn sie untereinander Streit haben. Ich sage ihnen, dass er nicht verärgert ist. Wenn überhaupt, dann wirkt er ein wenig traurig und einsam; und ja, sie sollten gehen und ihn nach Hause holen, weil er schon viel zu lange fort ist. Und wenn ich ihnen nichts von dieser sterblichen Frau und seinem sterblichen Sohn erzähle, was soll’s? Warum sollte es eine Rolle spielen, dass sie ihn liebt,
braucht und ohne ihn wahrscheinlich durchdreht? Warum sollte es uns kümmern, dass seine Rückkehr die Zerstörung dieser Familie und des Friedens, den er dort gefunden hat, bedeutet? Wir sind Götter, und sie sind nichts. Ich bin ein viel besserer Sohn als ein Mischlingsdämonenjunge. Das werde ich ihm beweisen, sobald er heimkommt.
9
I ch fiel.
Das passiert schon mal, wenn man planlos durchs Leben geht. In diesem Fall reiste ich durch Weltraum, Bewegung, Gestaltung. Es war alles das Gleiche, nur Sterbliche können es nicht überleben. Ich war zur Hälfte sterblich, ich hätte es aber nicht überleben sollen. Doch ich tat es. Wahrscheinlich, weil es mir egal war.
Deshalb schwebte ich durch die weißen Etagen Elysiums, durchquerte dabei etwas vom hölzernen Fleisch des Baums, abwärts, abwärts, abwärts. Vorbei an der untersten Wolkenschicht, die feucht und kalt war. Da ich körperlos war, sah ich die Stadt mit sterblichen und göttlichen Augen: geduckte Umrisse von Gebäuden, Straßen, erleuchtet durch sterbliches Licht, das hin und wieder durch die noch helleren, farbigen Schwaden meiner Brüder und Schwestern unterbrochen wurde. Sie konnten mich nicht sehen, da ich noch nicht jeglichen Selbsterhaltungstrieb verloren hatte. Denn sogar wenn ich nicht schmolle, sind die Farben meiner Seele wie Schatten. Das ist das Vermächtnis meines Vaters und auch ein wenig meiner Mutter. Deswegen kann ich gut herumschleichen. Oder mich verstecken, wenn ich nicht möchte, dass man mich findet.
Abwärts. Vorbei an einem Ring Häuser, die am Stamm des Weltenbaums befestigt waren. Das waren sündhaft teure Baumhäuser, die auch ohne Leitern und MÄTCHEN-UNERWÜNSCHDT-Schilder interessant waren. Darunter lag noch eine Schicht der
Stadt. Sie war neu: Häuser, Werkstätten und Geschäfte, die auf den Wurzeln des Baums errichtet worden waren. Sie balancierten gefährlich auf steil abfallenden Straßen und gestützten Plattformen. Ah, natürlich. Die geschätzten Bewohner der Landsitze darüber konnten natürlich nicht ohne Diener, Köche, Kindermädchen und Schneider auskommen, nicht wahr? Ich sah absurde Vorrichtungen, die Qualm, Dampf und metallisches Stöhnen von sich gaben, während sie diese auf halbem Wege liegende Stadt mit den eleganten Plattformen oben verbanden. Leute fuhren in ihnen auf und ab und vertrauten diesen gefährlich aussehenden Dingern, sie sicher zu befördern. Einen Moment lang lenkte meine Bewunderung für den Einfallsreichtum der Sterblichen mich beinahe von meinem Elend ab. Doch ich blieb in Bewegung, denn dieser Ort behagte mir nicht. Ich hatte gehört, wie Shahar davon sprach, und verstand jetzt auch seinen Namen: das Grau. Es lag auf der Hälfte zwischen dem hellen Elysium und der Finsternis darunter.
Abwärts. Und jetzt verschmolz ich mit den Schatten, denn es gab so viele davon zwischen den Baumwurzeln und unter dem ausladenden grünen Wipfel. Ja, das gefiel mir schon besser: Schatten, die Stadt, die einmal Elysium gewesen war, bevor der Baum wuchs und den Namen lächerlich machte. An diesem Ort spürte ich endlich so etwas wie ein Zugehörigkeitsgefühl, wenn auch nur entfernt. Ich gehörte eigentlich nirgendwo in das Reich der Sterblichen.
Daran hätte ich denken sollen, dachte ich bitter, als ich zur Ruhe kam und mich wieder in Fleisch verwandelte. Ich hätte nie versuchen dürfen, in Elysium zu leben.
Nun ja. Die Pubertät war dazu da, um Fehler zu machen.
Ich landete in einer stinkenden Gasse, die mit Trümmern übersät war. Später sollte ich lernen, dass dies Südwurzel war. Man sah es als den gewalttätigsten und heruntergekommensten
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