Rivalin der Götter erbin3
sie mich mit einem kleinen Lächeln. »Aber Ihr seid ein Gauner, und ich werde gar nicht erst versuchen, mit Euch zu diskutieren.«
»Ja«, stimmte ich zu. Dann machte ich einen Schritt vorwärts,
nahm die erste Nadel aus meiner Hand und rollte sie erwartungsvoll zwischen meinen Fingern. Schließlich und endlich war auch ich ein Tyrann.
Ich hörte Shahars Schrei, noch bevor sie hereingerannt kam, und ignorierte ihn. Sie keuchte, als sie das Gemach erreichte und überall Blut und Leichen sah. Doch dann rannte sie vorwärts, rutschte auf den Eingeweiden von jemand aus und packte meinen Arm. Das verlangsamte meinen Vorstoß keineswegs, denn für den Moment war ich stärker als jeder Sterbliche. Nachdem ich sie ein oder zwei Schritte mit mir gezerrt hatte, gab sie diese Anstrengung auf. Doch dann rannte sie um mich herum und stellte sich mir in den Weg, als ich gerade den Fuß auf die erste Stufe des Podestes stellen wollte, auf dem Remaths Thron stand. »Si’eh, tu das nicht.«
Seufzend schob ich sie so sanft wie möglich zur Seite. Dadurch stolperte sie und fiel von den Stufen in das Blut irgendeines ihrer Cousins. Ich konnte den Arameri in ihm riechen. Oder nicht mehr in ihm. Ich lachte über meinen eigenen Witz.
Vor Remath blieb ich stehen, die einfach dort, wo sie war, verharrte. Sie blieb angesichts des drohenden Todes vollkommen ruhig. Dann tauchte Shahar wieder auf. Diesmal warf sie sich direkt vor den Thron ihrer Mutter. Ihr goldenes Satinkleid war auf einer Seite blutgetränkt. Irgendwie war das Blut auch auf eine ihrer Gesichtshälften gelangt. Ihr Haar hing teilweise schlafherunter, Blut tropfte heraus. Ich lachte erneut und versuchte, mir einen Reim einfallen zu lassen, der sie gebührend verspottete. Doch was reimte sich auf »Entsetzen«? Ich würde später darüber nachdenken.
Dennoch blieb ich stehen, weil Shahar im Weg war. »Weg da«, sagte ich.
»Nein.«
»Du wolltest doch sowieso, dass sie stirbt.«
»Aber doch nicht so, verdammt nochmal!«
»Arme Shahar.« Ich machte ein Liedchen daraus. »Arme kleine
Prinzessin, wie sollte sie es sehen? Mit ihren Fingern und auch Zeh’n, wenn ihre Augen mich anseh’n.« Ich hielt die Nadel vor mich, damit sie sie sehen konnte. »Du hast mich verraten, süße Shahar. Es macht mir nichts aus, auch dich zu töten.«
Sie biss die Zähne zusammen. »Ich dachte, du liebst mich.«
»Ich dachte, du liebst mich.«
»Du hast geschworen, mir kein Leid zuzufügen!«
Sie hatte recht. Nur weil sie nicht in der Lage war, ihr Wort zu halten, musste ich mich nicht auf dasselbe Niveau herablassen. »Also schön. Ich werde dich nicht töten – nur sie.«
»Sie ist meine Mutter«, fuhr sie mich an. »Wie viel Leid, glaubst du, wird es mir zufügen, wenn du sie vor meinen Augen umbringst?«
So viel Leid, wie sie mir zugefügt hatte, als sie mein Vertrauen missbrauchte. Vielleicht ein wenig mehr. »Ich habe jetzt kein Interesse an Verhandlungen, Shahar. Geh weg da, oder ich werde dich … entfernen. Und diesmal werde ich nicht zimperlich sein.«
»Bitte«, sagte sie. Normalerweise hätte mich das nur noch mehr aufgestachelt, doch dieses Mal tat es das nicht. Dieses Mal verlangsamte sich zu meiner Überraschung der rasende Wirbel meines Zorns und stand schließlich still. In der plötzlichen Ruhe nach dem Sturm sah ich sie an und erkannte noch eine Wahrheit, die sie die ganze Zeit vor mir verborgen hatte. Und vielleicht nicht nur vor mir. Ich warf Remath, die Shahar anstarrte, einen Blick zu. Auf ihrem Gesicht lag endlich ein Ausdruck unendlichen Staunens. Ja.
»Du liebst sie«, sagte ich.
Und weil Shahar eine Arameri war, zuckte sie wie unter einem Schlag zusammen und sah beschämt weg. Doch sie ging mir nicht aus dem Weg.
Ich stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. Mit ihm begann meine Kraft zu schwinden. Ich hätte sie ohnehin nicht viel länger aufrechterhalten können; ich war zu alt für Wutanfälle.
Ich schüttelte den Kopf und ließ die Nadeln zu Boden fallen. Sie verteilten sich auf den Stufen und machten leise metallische Geräusche, die in der Stille des Gemachs sehr laut klangen. Ich lauschte in die mich umgebende Welt und hörte Rufe und Fußgetrappel. Hauptmann Wrath und seine Männer rannten herbei, um Remath zu helfen und dabei zu sterben, weil sie nicht so vernünftig waren wie die Darre. Sogar die Schreiber trabten im Gänsemarsch herbei und brachten ihre mächtigsten Skripte. Sie waren allerdings wenig organisiert, da Shevir sich hier
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