Rivalin der Götter erbin3
war nicht in der Stimmung, zuzuhören.
»Ich kann Kinder nicht vor allem Bösen dieser Welt schützen«, sagte ich. »Auch Leiden gehört zur Kindheit dazu. Aber das hier …« Es kam zischender heraus, als es eigentlich beabsichtigt war. Ich kämpfte die Veränderung mit leisem Knurren nieder. »Dies, Shahar, ist meine Sünde. Ich hätte dich schützen sollen; wenn vor nichts anderem, dann vor deiner eigenen Natur. Ich habe mich selbst betrogen, und irgendjemand wird dafür sterben.«
Mit diesen Worten ging ich. Die Wohnungstür löste sich vor mir zitternd in Staub auf. Ich trat in den Flur hinaus, und der Tagstein stöhnte und knackte unter meinen Füßen. Spinnwebartige Risse liefen die Wände hinauf. Die Handvoll Wachen und Diener, die unaufällig im Flur herumstanden, erstarrten alarmiert, als ich auf sie zuschritt. Vier von ihnen hielten inne und spürten
mit ihrer bruchstückhaften sterblichen Wahrnehmung, dass mit mir nicht gut Kirschen essen war. Der Fünfte, eine Wache, trat mir in den Weg. Keine Ahnung, ob er mich aufhalten oder ob er einfach nur auf die andere Seite des Flurs wollte, wo mehr Platz war. In derartigen Situationen denke ich nicht viel; ich tue einfach, was sich gut anfühlt. Also schlug ich mit meinem Willen wie mit Klauen nach ihm. Er fiel in sechs oder sieben blutigen Einzelteilen zu Boden. Jemand schrie; jemand anders rutschte in dem Blut aus, aber niemand stellte sich mir noch einmal entgegen. Ich ging weiter.
Die Etagen öfneten sich und legten sich um mich. Sie formten Treppen, Rampen, einen neuen Weg. Ich betrat den mittäglich hell erleuchteten Flur, der zu Remaths Audienzzimmer führte. Ich schritt auf die verzierte Flügeltür am Ende des Flurs zu. Davor standen zwei Darre-Frauen. Die Kriegerinnen von Darre sind berühmt für ihre Geschicklichkeit und ihren scharfen Verstand. Beides nutzen sie, um ihren Mangel an körperlicher Stärke auszugleichen. Seitdem wir gefohen waren, war ihnen die Aufgabe zugefallen, das Familienoberhaupt der Arameri zu schützen – sogar vor anderen Arameri. Doch als ich den Korridor entlangkam und die Fenster bei jedem meiner Schritte zu bersten drohten, sahen sie sich nur an. Stolz spielte zwar eine Rolle, aber törichte Kriegerinnen lebten nicht lange; außerdem wussten sie, dass sie keine Chance in einem Kampf gegen mich hatten. Sie konnten allerdings versuchen, mich zu besänftigen. Um das zu erreichen, knieten sie vor der Tür nieder, neigten die Köpfe und beteten um meine Gnade. Diese gewährte ich, indem ich sie nur zur Seite fegte. Dabei erlitten sie wahrscheinlich einige Prellungen, aber ich tötete sie nicht. Dann riss ich die Tür auseinander und trat ein.
Das Zimmer war voller Höfinge, weiteren Wachen, Dienern, Angestellten und Schreibern. Und Remath. Sie saß auf ihrem Steinthron, hatte die Hände gefaltet und wartete, als ob sie gewusst
hätte, dass ich komme. Die anderen starrten mich entsetzt und schweigend an.
Ich zog En von ihrer Schnur. »Töte für mich, meine Geliebte«, murmelte ich und ließ sie zu Boden fallen. Sie hopste und schoss dann quer durch das Zimmer. Dabei prallte sie von den Wänden, Fenstern und Remaths Steinstuhl ab, aber nicht von menschlichem Fleisch. Sie ging einfach hindurch. Nachdem sie Löcher in genug von ihnen gestanzt hatte und das Schreien auf hörte, kehrte sie zu mir zurück, loderte einmal heiß auf, um das Blut wegzukochen, und ließ sich dann kühl und zufrieden in meine Handfäche fallen. Ich steckte sie in meine Tasche.
Remath war unberührt. En kannte mein Herz sehr gut. Sie hatte sich während des Massakers nicht bewegt und keinerlei Anzeichen von Besorgnis erkennen lassen, obwohl ich gerade etwa dreißig ihrer Verwandten getötet hatte.
»Ich nehme an, Ihr seid über etwas nicht besonders glücklich«, sagte sie.
Ich lächelte sie an und sah, wie ihre Augen kurz aufflackerten, als sie meine scharfen Zähne bemerkte. »Ja«, sagte ich und hob meine Hand. Darin lagen – herbeigerufen, weil ich es konnte – zehn dicke silberne Stricknadeln. Jede war länger als meine Hand. »Doch ich werde mich gleich besser fühlen. Hand aufs Herz und großes Ehrenwort, Remath. Hier sind meine Nadeln für Eure Augen.«
Man musste ihr zugutehalten, dass ihre Stimme nicht zitterte. »Ich habe mein Versprechen gehalten. Ich habe Euch kein Leid zugefügt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Shahar war meine Freundin und Ihr habt sie mir genommen.«
»Ein geringes Leid«, sagte sie. Dann überraschte
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