Riven Rock
brauchte: die Frau des Psychiaters war ein Fall für die Klapsmühle.
Und was hatte sie an? Etwas ganz Schlichtes und Altmodisches, graubraun wie eine Pferdedecke und bis zum Boden herabhängend, als schriebe man immer noch den Anfang des Jahrhunderts. Aber sie lächelte, zumindest schien es ein Lächeln zu sein, was da durch die frenetische Signalgebung aus Tics, Zuckungen und Fratzen drang, und das genügte O’Kane. Er lächelte zurück, bot ihr seinen Arm, den sie nach längerem Hin und Her und Her und Hin schließlich nahm, und geleitete sie die sechs Stufen hinauf in den großen Saal voller vertrauter und weniger vertrauter Gesichter.
Die Feier fand sowohl zu Ehren der Wachablösung durch Dr. Brush als auch zur Einweihung des neuen Theatergebäudes statt, das man errichtet hatte, damit sich Mr. McCormick bequem an Lichtspielen, Konzerten oder Theaterstücken ergötzen konnte. Es war ein Riesengebäude, etwa so groß wie drei normale Einfamilienhäuser, im Zentrum der gewaltige, zwei Etagen hohe Vorführsaal, mit Büros für Dr. Brush und den Grundstücksaufseher auf den Seiten und einem Schlafraum für Mr. McCormick im rückwärtigen Teil – falls er einmal beim Ansehen eines Films müde werden sollte. Alle fanden, daß er mehr Stimulation brauchte – die Doktoren Meyer, Hamilton und Brush ebenso wie Katherine und sogar die McCormicks in Chicago –, und zu diesem Zweck war das Theater erbaut worden. Es lag nur einen kurzen Spaziergang vom Haupthaus entfernt – keine zweihundert Meter –, und die Landschaftsarchitekten hatten entlang des Weges eine Sprinkleranlage hoch oben in den Bäumen installiert, so daß Mr. McCormick das beruhigende Murmeln eines sanften Regens hören konnte, auch wenn er bei schönem Wetter hinüberging, und war das nicht eine Stimulation sondergleichen: Regen auf Bestellung? Auch den Sicherheitsaspekt hatte man nicht vernachlässigt: alle Fenster waren zwischen den Doppelscheiben mit einem eleganten filigranen Gitter aus Schmiedeeisen verstärkt, das ein hübsches Rautenmuster ergab, und sämtliche Türen waren mit Dreifachschlössern versehen, von denen jedes einen eigenen Schlüssel benötigte.
Es war beeindruckend, wirklich beeindruckend, und dennoch mußte O’Kane unwillkürlich an die armen normalen Verrückten in der Irrenanstalt von Boston denken, die einfach zusammen in einen Käfig getrieben wurden, wo man ihnen die Scheißekruste mit Hochdruckschläuchen herunterspritzte. Aber die hießen eben nicht McCormick, nicht wahr? Und als feiner Herr war Mr. McCormick eben feine Dinge gewöhnt, und O’Kane als sein Pfleger befürwortete natürlich alles, was sich für ihn tun ließ, vor allem da Geld keine Rolle spielte. Stimulation? Sicher, er sollte soviel stimuliert werden, wie er nur aushielt – Hauptsache, das Ganze überreizte ihn nicht, stieß ihn nicht zurück in den langen dunklen Tunnel, an dessen Ende Zwangsernährung und Windeln lagen.
Jetzt aber war die gesamte Nachbarschaft im Saal versammelt, um Drinks und leichte Unterhaltung zu genießen sowie die Vorführung eines neuen Bronco-Billy-Films, gedreht in den FlyingA-Studios gleich nebenan in Santa Barbara, und als O’Kane den Raum betrat, die irre grinsende Mrs. Brush an seiner Seite, da fühlte er sich so quietschvergnügt wie als kleiner Junge zu Weihnachten. Nicks Frau hatte den Saal mit Papierschlangen dekoriert, über einen Tisch in der Ecke war ein großes Tuch gebreitet, darauf war eine Bar aufgebaut, und ein Bursche im Smoking stand dahinter und bediente. Und Luftballons, überall Luftballons. Das Orchester hatte etwas Fröhliches, Luftiges gespielt, als er hereinkam, jetzt aber wechselten sie zu etwas über, das man in den Fußsohlen spürte, und ein paar Leute standen auf und tanzten. Er reichte Mrs. Brush an einen großen Mann mit glänzendem Kahlkopf weiter, der plötzlich zu seiner Rechten auftauchte – Dr. Ogilvie, nominell Mr. McCormicks Zahnarzt –, und ging auf die Bar zu.
Er bestellte einen Highball, und während der Barkeeper ihn mixte, warf er einen Blick über die Schulter und sah Katherine keine drei Meter weit weg stehen, sie lachte gerade über etwas, das die Frau neben ihr sagte. Sie sah gut aus, verdammt gut, ganz in Grün und mit einem kleinen grünen Hut, der auf ihrem Haar saß wie ein Vogelnest. Er würde natürlich nicht mit ihr reden, außer es war unbedingt nötig, deshalb wandte er sich wieder der Bar zu, ehe sie seinen Blick bemerkte. Da bahnten sich Dr. Brush und Mart
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