Riven Rock
Zigarettenetui und sah ihn dann an. »Komm doch und setz dich zu uns rüber«, sagte sie und nickte in Richtung des Speisesaals, wo Cody Menhoff persönlich herumwieselte, um ihr einen Tisch herzurichten. »Du kannst mir mal Feuer geben.« Und dann rauschte sie durch den Raum, die andere Frau in ihrem Kielwasser, und auch der Rest der Gruppe strebte dem Tisch mit dem sauberen weißen Tuch zu, auf dem ein Teller mit Sandwiches und – in der Mitte – ein Jack-Rose-Cocktail in einem langstieligen Glas standen, wie ein Tribut an sie.
Die Gesellschaft bestand aus vier Männern (alles Waschlappen, von denen O’Kane zwei auf einmal hätte umschubsen können, mit einer Hand auf den Rücken gebunden) und drei Frauen, die herausgeputzt waren wie Pariser Straßendirnen – oder so, wie sich O’Kane Pariser Straßendirnen vorstellte. Wissen konnte er es nicht. Nicht genau. Im Gegensatz zu diesen feinen Pinkeln mit dem gepreßten Lächeln, den Zigarettenspitzen und dem Akzent aus dem Racquet-Club, war er noch nie in Paris gewesen. Nicht einmal in New York.
Mit Dolores und ihrer Freundin mit dem leeren Blick waren sie neun und mit O’Kane zu zehnt. Sie ließ ihn direkt neben sich Platz nehmen, und während sich die Unterhaltung vom Krieg in Europa über Rocklängen zu Klatsch über Leute entspann, die O’Kane nicht kannte, beugte sie sich dicht zu ihm heran, schenkte ihm einen Blick aus ihren lila Augen und raunte mit heiserer, modulationsloser Stimme: »Was ist mit dem Feuer, das du mir versprochen hast?«
O’Kane hielt ein Streichholz an ihre Zigarette, und der ganze Tisch steckte sich eine an, überall qualmte es, die Gläser waren schon wieder leer, der Kellner brachte eine zweite Runde, und alle tranken sie Jack-Rose-Cocktails (40 ml Apple Brandy, den Saft einer halben Limette, 1 Teelöffel Grenadinensaft, mit Eis in einem Shaker schütteln, dann in ein Cocktailglas abseihen).
»Was ist mit dir, Eddie«, schnurrte Dolores und hob das Kinn beim Ausatmen, die Lippen zu einem kleinen Schmollmund gespitzt, »rauchst du nicht?«
Er zuckte die Achseln. Grinste. Ließ den Blick seiner Augen geradezu in die ihren hineinstrahlen. »Ab und zu mal paff ich gern eine Zigarre zu einem Glas Whiskey, meistens spät in der Nacht. Aber für Zigaretten hab ich weniger übrig, normalerweise.«
»Ach, die hier werden dir schmecken. Probier mal eine.«
Und dann berührte sie mit der glühenden Spitze ihrer Zigarette die, die er sich aus ihrem mit Monogramm versehenen Etui genommen hatte, und sie war ihm dabei so nahe wie vor einer Stunde noch Giovannella, nur war das jetzt anders, es war nett, der Anfang des Tanzes und nicht das Ende. »Herrlich«, sagte er und stieß den Rauch aus. »So mild.«
Sie sah ihn an. »Das sollte sie auch sein. Die kommen von weit her, aus der Türkei.«
Sie redeten den ganzen Nachmittag und in den Abend hinein, und sie trank dabei Jack-Rose-Cocktails, als wären sie nicht stärker als Schafsmilch, und rauchte alle Zigaretten, die sie im Etui hatte. Und worüber redeten sie? Über das Leben. Santa Barbara. Mr. McCormick. Ihren Mann. Italien. Den Krieg. Musik. Mochte er Musik? Aber sicher, und als sie Arm in Arm hinausgingen, um in ihren Wagen zu klettern und zum Abendessen in Matteis Taverne zu fahren, ganz egal, was aus dem Rest ihrer Gesellschaft wurde, da drückte er sie sanft gegen die Motorhaube und sang ihr etwas vor, in dem leisen Trällerton, der ein weiteres Erbe seines Vaters war:
Ich schenk dir einen Fingerring
und deinen Fuß will ich liebkosen,
selbst Elefanten ich dir bring
du schönste aller Rosen!
Sie ließ sich von ihm küssen, ein köstlicher, träumerischer Kuß, der ihm Zeit gab, sich an sie zu gewöhnen, sie war größer als Giovannella, schlanker, und mit Lippen so straff wie Seile – und dann saßen sie im Wagen und atmeten schwer, alle beide. »Das war wunderschön, Eddie – das Lied, meine ich«, murmelte sie, ganz leise und heiser, »und der Kuß, der war auch nett«, und dann legte sie den Gang ein, und zum erstenmal saß er in einem Automobil mit einer Frau am Steuer, und er erzählte ihr, daß ihm seine Mutter dieses Lied beigebracht hatte, drüben an der Ostküste, daheim in Boston, wo er geboren war.
»Und das Küssen?«
Er nahm ihre Hand. Sie spielte ein Spiel, das er von allen Spielen am liebsten mochte. »Das haben mir hundert Mädchen beigebracht, aber keine war so hübsch wie du.«
Es war immer noch hell, und während der Wagen rasch zum San-Marcos-Paß
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