Riven Rock
»eins-zwei eins-zwei Cha... pala Street. Emm, Punkt, Deh, Punkt.« Sie sah wieder auf. » M.D. Was heißt denn das?«
»Doktor«, sagte er und verlagerte das Gesicht auf die Fußballen, fühlte sich elend und schlecht, » M.D. ist ein Arzt. Du weißt wohl gar nichts?«
Das Begreifen begann in den Mundwinkeln und arbeitete sich dann durch die verkrampfte Kiefermuskulatur empor zu ihren Augen, und in diesen Augen lag kein liebevoller, herzlicher Blick, nicht an diesem Morgen, jetzt nicht mehr. Sie stieß einen Fluch aus, auf italienisch, und obwohl er die Feinheiten nicht nachempfinden konnte, verstand er sinngemäß durchaus. »Du Hurensohn«, sagte sie. »Du unverfrorener Hurensohn. Wieso bist du dir eigentlich so sicher, daß es von dir ist, hä?«
»Weil du’s mir gesagt hast. Weil du zu mir gekommen bist. Bei Guido spürst du doch überhaupt nichts, hast du mir das etwa nicht erzählt? Und daß seiner bloß so klein ist?«
»Er ist ein besserer Mann als du.«
»Von wegen.«
»Doch, das ist er. Und hast du dir nie überlegt, daß ich es vielleicht nur deinetwegen gesagt habe, damit du dich als großer Kerl fühlst, hä? Denn so war’s, du Hurensohn! Ich hab gelogen. Ich hab dich angelogen, Eddie. Guido hat ein Ding wie ein Pferd – was sagst du dazu? Und du wirst meinem Kind nichts tun – meinem Kind, nicht deinem. Niemals!«
Es war Rosaleen von vorne bis hinten, und ihm blieb ein knapper Moment der Verwunderung über die sich verschiebenden magnetischen Pole der Liebe, von Venus direkt zum Mars, ohne Zwischenstadium, kein Ort, wo man sich sammeln und zum Rückzug blasen konnte, und als sie mit dem Eisstichel auf ihn losging, der die ganze Zeit über unauffällig auf dem Eisschrank gelegen hatte, da wollte er sich nur schützen, und so sahen beide mit jenem Staunen, das sonst nur Zauberkünstler erwecken können, dabei zu, wie die blitzende Nadel aus Stahl seine geöffnete Handfläche glatt durchbohrte und auf der andere Seite herauskam, als gäbe es so etwas wie Fleisch und Blut gar nicht.
»Sie werden es mir wohl nachsehen, wenn ich Ihnen nicht die Hand schüttle«, sagte O’Kane, nickte Dr. Brush an der Tür zur Begrüßung zu und hielt die bandagierte Rechte entschuldigend in die Höhe. Mart kam hinter ihm herein, das Streichorchester spielte bereits eine Melodie, so leicht wie die Luft, und der große neue Raum war festlich und hell erleuchtet. »Ah, und Sie müssen Mrs. Brush sein«, sagte er, fühlte sich leutselig und jederzeit bereit, ein Lied anzustimmen,Witze zu reißen, ein Bierchen zu zwitschern oder auch ein, zwei Glas Punsch mit ordentlich Gin drin. Gerade wollte er sagen, er habe schon viel von ihr gehört, doch da wurde ihm klar, daß er nichts von ihr gehört hatte, kein Wort. Nach allem, was er von Mrs. Brush wußte, hätte sie eine Kannibalin von den Fidschi-Inseln mit einem Knochen in der Nase sein können, aber da war sie, stand neben ihrem Mann an der Tür, eine schmächtige, hagere Frau mit eckiger, schnabelartiger Nase und zwei stechenden schwarzen Augen, die nicht größer als die einer Krähe waren.
Sie griff nach seiner verbundenen Hand und zuckte zurück, als hätte sie sich an einem heißen Ofen verbrannt, faßte aber gleich wieder hin und dann noch einmal, ehe O’Kane ihr schließlich die linke Hand hinhielt und die bandagierte diskret hinter dem Rücken versteckte. Was nun folgte, war noch eigenartiger, denn der Vorgang wiederholte sich: sie griff nach seiner gesunden Hand und zuckte zurück, zweimal, dreimal, und als er in ihrem Gesicht nach einer Erklärung suchte, begrüßte ihn dort eine ganze Batterie von nervösen Tics und Grimassen – genug jedenfalls, um den unvergessenen Dr. Hamilton als blutigen Amateur dastehen zu lassen. Sie sagte etwas, das als lautes Quäken herauskam, dabei zuckte und zitterte und nickte sie die ganze Zeit, bis Dr. Brush eingriff.
»Gladys, ist gut«, donnerte er, während er massig in der Eingangshalle herumwirbelte und die Tür zuknallte. »Das sind die zwei Herren, von denen ich dir erzählt habe, Edward O’Kane – wir nennen ihn Eddie – und Mart Tomkins, äh, Thompson. Ja, Liebes, gut so, jetzt sag schön guten Tag...«
Mart, der mit seinem Dickschädel die Dinge immer etwas langsam einschätzte oder sich ihrer auch nur bewußt wurde, sah Mrs. Brush verdattert an und ergriff ihre Hand, die sie ihm sofort entriß und hinter dem Rücken verbarg. Mart schaute O’Kane an, und O’Kanes Blick sagte ihm alles, was er zu wissen
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