Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Dienstboten und dem starken, gesundheitsförderlichen Geruch nach Desinfektionsmittel. Jede Oberfläche wurde mit einer Lösung aus Bleichmittel oder Karbolsäure gereinigt, und alle Türknäufe, Geländer, Telephonhörer und Lichtschalter wurden stündlich abgewischt. Sie war Wissenschaftlerin. Sie war die Eisprinzessin. Das sollte sich die Grippe gefälligst merken.
    O’Kane seinerseits tat, wie ihm geheißen. Er trug seine Gazemaske, setzte eine angemessen ernste Miene auf und drehte mit einem bleichegetränkten Tuch in der Hand die Türknäufe, doch sobald Katherine am Abend abfuhr oder er die Treppe hinaufging und Mr. McCormicks Privatgemächer betrat, zog er die Maske ab und steckte sie in die Tasche. So etwas wie diese Grippewelle hatte er noch nie erlebt – kaum wandte man sich ab, fiel schon der nächste tot um –, und sie jagte ihm auch Angst ein, wirklich, trotzdem fand er, daß Katherine die Dinge etwas zu weit trieb. Persönlich sorgte er sich nicht – er hatte die Konstitution seines Vaters geerbt, ihm konnte nichts zustoßen, außer es kam aus einer Flasche, und kein Glück auf der Welt konnte einen davor schützen –, aber er fürchtete um Mr. McCormick, auch wenn er die Masken und Desinfektionsmittel für einen Anfall weiblicher Hysterie hielt. Die übrigen Angestellten teilten seine Angst, obwohl niemand darüber sprechen wollte. Mr. McCormick mochte einen ziemlich weichen Keks haben, aber er war die Stütze und das Fundament dieses Hauses, und wenn er fiel, wie viele würden mit ihm fallen?
    Ihr Arbeitgeber und Wohltäter sah jedoch prächtig aus – frisch und putzmunter, ein Ausbund an Gesundheit. Auf Geheiß von Dr. Hoch (und Katherine, die hinter den Kulissen wirkte) durfte er keine Spaziergänge mehr unternehmen und nicht einmal zum Theatergebäude gehen, bis die Sache vorbei war, und das ließ ihn etwas gereizt werden. Er hatte die Angewohnheit, sich seine Maske in die Stirn zu schieben, wie einen Faschingshut, und er spielte Dr. Urvater ständig Streiche mit dem Zungenspatel und dem Thermometer, die er wie eine Bulldogge packte und nicht wieder losließ, bis Dr. Hoch sich mühsam vom Sofa erhob und einschritt. Jeden Tag unterhielt er sich am Telephon mit Katherine, sie im unteren Salon voller Karbolsäure, er eine Etage über ihr, und das schien eine erregende Wirkung auf ihn zu haben, aber soweit O’Kane sehen konnte, bekam er nicht einmal einen Schnupfen, geschweige denn die spanische Grippe.
    »Ich glaube, sie trägt zu dick auf«, sagte Nick eines Morgens, als er und O’Kane darauf warteten, daß Mr. McCormick mit dem Duschen fertig war. Er ersetzte Mart tagsüber, während Patrick nachts allein bei Mr. McCormick wachte. »Die gottverdammten Türknäufe läßt sie polieren, du liebe Güte. Aber besser zuviel zu früh als zuwenig zu spät, ist immer mein Motto.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte O’Kane, der an der Tür zum Badezimmer stand, knapp außer Reichweite des Spritzwassers. Mr. McCormick kauerte nackt auf den nassen Fliesen und seifte sich sorgfältig die Zehen ein, während O’Kane darüber nachsann, daß er in seinem Leben wohl öfter Mr. McCormick nackt gesehen hatte als irgendeine Frau, und das schloß Giovannella und die lange verflossene Rosaleen ein. »Uns würde das Wasser bis zum Hals stehen, wenn ihm was passiert. Sobald ich erst mal bei dieser Zitrusplantage dabei bin, von der ich dir erzählt habe – Jim Isringhausen sucht nur noch ein paar weitere Investoren –, bin ich aus dem Schneider, aber einstweilen wüßte ich nicht, was ich täte, wenn ich nicht hier arbeiten könnte. Ich würde wirklich nur ungern wieder Scheiße und Blut in der geschlossenen Abteilung aufwischen.«
    »Amen.« Nick stieß einen Seufzer aus. Er lehnte sich gegen die geflieste Wand, das Wasser kondensierte auf seinen Augenbrauen und den kurzen Härchen, die über der Wölbung seiner Stirn Posten standen. Er war klobig und groß, immer noch recht muskulös, aber er setzte Fett an um die Mitte und am Hintern, denn er und Pat taten nichts anderes, als die Nacht hindurch bei Mr. McCormick am Bett zu sitzen, und tagsüber schliefen sie, wenn andere Leute ihrer Arbeit nachgingen. Und jünger wurde er auch nicht. »Ja, ich wär auch in der Zwickmühle, wenn Mr. McCormick was passieren würde, und Pat und Mart ebenso. Aber nicht für jeden hätte es schlimme Folgen, wenn er in die ewigen Jagdgründe einginge.«
    »Wen meinst du?«
    »Na«, sagte er und setzte eine durchtriebene Miene

Weitere Kostenlose Bücher