Riven Rock
Also: Wie geht es meinem Mann – Ihrer Meinung nach? Irgendwelche Veränderungen?«
»Er ist mehr oder minder der gleiche.«
»Und was hat das zu bedeuten? Gar keine Besserung?«
O’Kane war bereit, ihr zu sagen, was sie hören wollte, daß Mr. McCormick Fortschritte machte wie ein Musterschüler, einen behenden Spurt in Richtung geistiger Gesundheit hinlegte und nur noch etwas Zeit, Geld sowie die Dienstbarkeiten junger Mädchen, reifer Frauen und bärtiger Vetteln benötigte, um wieder ganz der alte zu werden, doch der Alkohol beeinträchtigte ihn. »Ein wenig«, sagte er achselzuckend. »Wir haben jetzt wieder einen Teppich im oberen Salon, und er hat ihn nicht wieder zerlegt. Und er läuft ziemlich viel – trainingshalber.«
»Er läuft?« Sie blieb abrupt stehen und zerteilte O’Kane mit ihrem Blick.
»Ja. In letzter Zeit scheint er gern zu laufen – wenn wir, das heißt, Mart und ich, ihn bei seinem täglichen Spaziergang begleiten. Und vor ein paar Wochen haben wir einen Ausflug im Wagen mit ihm unternommen, das hat ihm sichtlich Spaß gemacht.«
»Das ist alles? Das ist das Ausmaß seiner Genesung in Ihren Augen – daß er läuft? Ich muß Ihnen sagen, daß ich eben mit ihm telephoniert habe, und er scheint mir so verwirrt wie immer – oder gar noch verwirrter. Und irritierend« – dies war für den Rotschopf gedacht, samt Nicken und gequälter Miene – »Stanley kann sehr irritierend sein.«
»Bei allem Respekt, Mrs.« – fast hätte er sich versprochen und sie Katherine genannt – »Mrs. McCormick, ich bin kein Arzt, aber ich denke, daß Ihre Anwesenheit ihn aufgeregt hat, deshalb ist er jetzt nicht er selbst, ganz und gar nicht...«
Wieder ein Blick zu Mrs. Roessing. »Ja, das erzählt mir jeder Arzt und jeder Pfleger, alles Männer, seit über zwölf Jahren.«
Dann überraschte ihn Katherine – ja sie schockierte ihn. Auf einmal hielt sie eine Zigarette in der Hand, wie von Geisterhand herbeigezaubert, ging quer durch den Raum zu Mrs. Roessing und bat sie um Feuer, in einem gedämpften Raunen, das O’Kane alles mögliche vermuten ließ. Er sah stumm zu, wie die beiden Frauen die Köpfe zusammensteckten und Katherine sich bei Mrs. Roessings glühender Zigarette Feuer holte.
»Und Dr. Hoch?« fragte Katherine und stieß den Rauch aus. »Seine Gesundheit, meine ich – hält er sich gut? Verbringt er jeden Tag Zeit mit meinem Mann?«
O’Kane sah von einer Frau zur anderen. Er hatte die Frage nicht einmal gehört. Katherine rauchte. Das hätte er sich nie geträumt – nicht sie. Sie mochte die Königin der Eisprinzessinnen sein, aber sie war eine Dame, vor allem eine Dame – und Damen rauchten nicht. Andererseits hatte er schon immer vermutet, daß solche Sachen mit Protestmärschen und Emanzipation und all dem anderen Hand in Hand gingen. Radikale waren das. Hosenbräute. Mannweiber.
»Mr. O’Kane?«
»Mmh?«
Katherines Gesichtsausdruck war wie eine Axt. Aus dem gleißenden Licht heraus hackte sie auf ihn los. »Sie haben doch nicht getrunken, oder?«
Er bemühte sich, eine seiner Masken aufzusetzen, Eddie O’Kane mit der Silberzunge, einer der größten Lügner der Welt. »Aber nein«, erwiderte er. »Ich, äh – ich fühle mich nur nicht so recht gesund, das ist alles.«
Hier sprang die Rothaarige schlagartig auf, die schönen Beine spannten sich an, das dunkelgrüne Kleid geriet in heftige Bewegung. Die beiden wechselten einen Blick. »Sie haben doch nicht etwa Fieber, oder?« Jetzt sprach Mrs. Roessing, und sie hatte eine dieser elementaren Stimmen, die derart in einen eindringen, daß man alles gestehen möchte. »Eine Art Darmgrippe? Durchfall?«
O’Kane war verwirrt. Sein Gesicht brannte. Beide Frauen belagerten ihn geradezu. »Ich – nein. Nein, da habe ich kein... äh, es ist – mein Kopf. Mein Kopf schmerzt, das ist alles. Und auch nur ganz wenig, ein bißchen.«
»Der Chauffeur – Roscoe –, er war doch krank, oder?«
O’Kane nickte.
»Grippe?«
»Das stimmt.«
Nun ergriff Katherine wieder das Wort, und ihr Gesicht war so blaß, daß man hätte meinen können, sie wäre einbalsamiert. »Und mein Mann? Er, er ist doch nicht krank...?«
Und so erfuhr O’Kane, betrunken vom chinesischen Weihnachtspunsch, bedrängt von zwei angespannten, aschfahlen Frauen, daß die spanische Grippe, an der weltweit doppelt so viele Menschen sterben sollten wie im Weltkrieg, Santa Barbara erreicht hatte.
Als eine der ersten erwischte es Mrs. Goux, die Frau von der
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