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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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auf, » sie zum Beispiel. Weißt schon: dein Liebling.«
    »Katherine?«
    Er nickte und beobachtete O’Kanes Reaktion. »Da wundert man sich direkt, warum sie hier die Florence Nightingale spielt, was? Wenn er stirbt, dann hat sie alles: die Häuser, die Automobile und mehr Millionen, als du zählen kannst. Und keinen verrückten Ehemann mehr.«
    Nick lag nicht ganz falsch, andererseits bestätigte es, was O’Kane die ganze Zeit über behauptet hatte: Katherine sorgte sich tatsächlich um das Wohlergehen ihres Mannes, das war kein Theater, man konnte sagen, was man wollte. O’Kane sann viel darüber nach, was das bedeutete, besonders wenn er an Dolores Isringhausen dachte und daran, wie sie ihren Mann behandelte – oder an Rosaleen oder sogar an Giovannella und ihren kleinen Schuhmacher. Frauen waren berechnend und falsch, das hatte er immer geglaubt – allesamt, außer seiner Mutter natürlich und vielleicht der Jungfrau Maria. Und jede Ehe war ein Krieg um die Macht – wer liebt wen, und wer liebt wen mehr? –, in dem die Frauen immer die Oberhand besaßen, ständig schmiedeten sie Pläne und warteten auf die Chance, einem das Messer in den Rücken zu rammen. Aber nicht Katherine. Nicht die Eisprinzessin. Sie hatte ihren Mann genau dort, wo sie ihn haben wollte – in einem goldenen Käfig –, und kein kranker Kanarienvogel war je besser umsorgt worden.
    »Ach, übrigens«, sagte Nick – Mr. McCormick hatte jetzt leise zu singen begonnen, ein unmelodisches, gedämpftes Gestöhne, das so ungefähr alles hätte sein können, von einer hochgeistigen Symphonie bis zu »Row, Row, Row Your Boat« –, »hast du das von dem Itaker-Schuster gehört? Du weißt doch, der mit der hübschen kleinen Frau, die du, äh –« Seine Hände rundeten den Satz ab.
    »Was ist mit dem?«
    »Du hast es nicht gehört?«
    »Nein, was denn?«
    »Der ist gestorben. Vor zwei, drei Tagen. Ernestine hat’s mir erzählt, weil sie ihre Stiefel neu besohlen lassen wollte, da hing ein Kranz an der Tür, und auf der Straße davor haben sich lauter Spaghettis die Haare gerauft und herumgejammert. Schlimm, wirklich schlimm, anscheinend ist keiner von uns sicher – nicht bis sich diese Seuche entweder von selber ausbrennt oder uns alle erwischt, jeden einzelnen, aber dann sind wir unsere Probleme ja auch los, was?«
    O’Kane ließ sich von Roscoe vor Capolupos Schuhmacherei absetzen, sobald seine Schicht zu Ende war, aber das Geschäft hatte geschlossen, die Läden waren verrammelt, und an der Wohnung darüber öffnete ihm niemand. Er rüttelte ein paarmal an der Tür, klopfte halbherzig an den Fensterläden und dann, in Ermangelung eines besseren Plans, setzte er sich hin und wartete. Er hatte viele Überstunden gearbeitet, um Marts Ausfall wettzumachen, es war spät – Viertel zehn schon – und er konnte sich nicht vorstellen, wo Giovannella war, außer sie hatten den Schuster noch gar nicht begraben und sie war bei einer Itaker-Totenwache irgendwo in der Stadt. Er lehnte sich zurück und wünschte, er hätte daran gedacht, sich irgendwo eine Flasche Whiskey oder Wein zu kaufen. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch, denn es war kalt, für Santa Barbara jedenfalls, so um die fünf Grad. Er lauschte in die Nacht hinein, hörte das klägliche Tuten einer Schiffssirene, die vom Hafen her übers Wasser tönte, das rasselnde Knattern eines Autoauspuffs, in der Gasse unten entdeckte gerade eine Katze oder vielleicht eine Ratte etwas Interessantes, und er mußte pausenlos an Giovannella denken und überlegte, was er zu ihr sagen würde. Und nur an sie zu denken und daran, daß sie jetzt frei war, jederzeit zu ihm zu kommen, Tag und Nacht, ohne irgendwem Ausreden oder Erklärungen zu schulden, reichte aus, um in seinem Kopf alle möglichen erotischen Szenarien entstehen zu lassen, und er sah, wie sie auf ihn stieg, die Lippen vor Lust geschwollen, die Brustwarzen hart und dunkel auf ihrer dunklen Haut, es ist wie beim Reiten, Eddie, komm, mein Pferdchen, komm...
    Heiraten konnte er sie natürlich nicht, und das wußte sie – es wäre Bigamie, obwohl sie seinen grünäugigen Sohn in Kniehosen durch die Stadt spazierenführte, und man mußte ja blind sein, um nicht zu merken, daß der Junge von ihm war und von keinem anderen – aber etwa eine halbe Stunde lang überlegte er, wie es wäre, mit ihr einen Hausstand zu gründen, irgendwo so weit weg, daß niemand von ihnen wußte. Sie könnten sich etwas in Carpinteria suchen, gut zehn Kilometer

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