Riven Rock
würdigen können – Lorbeerbäume und Steinrosen, üppig wachsende Gazanien, langstielige Strelitzien und Kapuzinerkresse mit Blättern so groß wie Untertassen –, doch ihre Wertschätzung würde warten müssen. Einstweilen sah sie nichts als ein undifferenziertes Gewirr von Vegetation und O’Kanes Hinterkopf, auf dem das weiche blonde Haar zum Nacken hin ein V bildete und unter dem Rand seines weißen Kragens verschwand. Der Pfad führte durch den Garten zu einer großen Wiese mit goldgelbem, hüfthohem Gras, aus dem sie zwei scheckige Kühe dümmlich anglotzten, und schließlich in den dichten Schatten einer Gruppe immergrüner Eichen.
»Dr. Hamilton?« rief O’Kane, und seine Stimme hatte einen seltsamen, warnenden Beiklang, so als wollte er zu verstehen geben, er sei nicht allein. Er wurde jetzt langsamer, schob sich behutsam durch die Schatten, dicht gefolgt von Katherine. Es war warm. Sie spürte den Schweiß auf ihrer Stirn, am Haaransatz dicht unter der Hutkrempe.
»Edward?« Die Stimme des Arztes kam von irgendwo weiter rechts, erklang körperlos aus dem unwegsamen Durcheinander von gewundenen Wurzeln und herabhängenden Ästen. »Sind die etwa schon da?« rief er. »Wenn ja, dann müssen Sie sie unbedingt noch eine Weile aufhalten, während ich hier...«
»Mrs. McCormick ist bei mir«, schrie O’Kane zurück, und in diesem Moment tauchte der Doktor auf, trat aus dem Dunkel zwischen zwei massigen grauen Baumstämmen hervor, die keine zehn Meter entfernt wie gekreuzte Schwerter aufragten. Er war in Hemdsärmeln, sein Kragen stand offen, und er hatte irgend etwas im Haar, einen Fremdkörper, Schuppen oder Staub – oder war es Stroh? »Katherine!« rief er aus und eilte über den rissigen gelben Erdboden auf sie zu, in staubigen Schuhen und einer Hose, die aussah, als hätte man damit einen Stall ausgewischt. »Wie schön, Sie wiederzusehen!«
Sie ließ es zu, daß er ihre Hand ergriff, während er sich gewunden und unterwürfig für den Zustand seines Haars und seiner Kleidung entschuldigte, vor allem aber dafür, daß er sie nicht persönlich hatte empfangen können, aber schuld daran seien – hier kicherte er nervös und schrill – nur die Hominiden, die Anthropoiden, die Affen, trotzdem sei ihr hoffentlich klar, was für ein Glücksfall dieser Kapitän Piroscz gewesen war, und sie müsse sie sich unbedingt ansehen, nur ganz kurz, sie seien ja so, so putzig ...
In diesem Augenblick gellte ein langgezogener unmenschlicher Schrei aus dem Dickicht vor ihnen, und dann streckte ein pelziger kleiner Homunkulus das schrumplige, stirnrunzelnde Gesicht zwischen dem Blättervorhang hervor. »Ach, da bist du ja, du Teufelchen«, schimpfte Hamilton, trat einen Schritt vor und schob dem Affen seinen abgewinkelten Ellenbogen entgegen, als wollte er ihn zum Tanz auffordern. »Komm«, lockte er, »komm zu Papa.«
Der Affe – Katherine erkannte ihn aus ihrer Arbeit in den Labors als einen Rhesus – starrte den Arzt nur aus kreisrunden Augen an. Es war ein ausnehmend unattraktives Exemplar, seine Farbe erinnerte an Senf, der über Nacht auf einer Messerklinge getrocknet war, das Fell war fleckig, die Haut von offenen Wunden und dunklem Schorf übersät. Eine seiner Vorderpfoten schien nicht in Ordnung zu sein, und auch mit den Augen stimmte etwas nicht – die Hornhaut war von einer Art Film überzogen. Als Hamilton bis auf eineinhalb Meter an das Tier herangekommen war, ständig lockend und Kußlaute mit den Lippen machend, stieß es einen weiteren Schrei aus und verschwand in dem Blätterdach über ihnen.
Der Arzt ließ den Arm sinken und stieß einen kurzen Lacher aus. »Tut mir leid, Katherine«, sagte er, und sie sah deutlich, daß ihm gar nichts leid tat, »daß Sie den ganzen Trubel hier mitbekommen – die Tiere sind gerade etwas lebhaft. Vielleicht hätte ich sie ja nicht freilassen sollen, aber in dem engen Bambuskäfig haben sie so erbärmlich ausgesehen, man spürte genau, daß sie auf der ganzen weiten Reise über den Pazifik nicht die Glieder strecken konnten, wahrscheinlich, seit sie in den Dschungeln des Orients gefangen wurden... und außerdem will ich an dieser Stelle das Affenhaus errichten, wo ich ihnen dann ohnehin soviel Freiheit wie möglich lassen will.« Er verstummte, als dächte er über etwas völlig anderes nach, dann klatschte er unvermittelt in die Hände und rieb sie ineinander, als wären sie naß geworden. »So«, sagte er. »und wie geht es Ihnen?«
Katherine wollte
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