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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gerade erwidern, es gehe ihr gar nicht gut, sie sei ausgelaugt und ziemlich gereizt von der Fahrt und von Sorgen, und mit Staunen und Entsetzen habe sie erleben müssen, daß die Schergen des Doktors es gewagt hatten, sie daran zu hindern, ihren Mann zu besuchen, und im übrigen wolle sie nun endlich seinen, Dr. Hamiltons, Standpunkt hören – aber sie bekam keine Gelegenheit dazu. In diesem Augenblick nämlich, während der Arzt aufgelöst und gekrümmt vor ihr stand, O’Kane verlegen von einem Fuß auf den anderen trat und die sinkende Sonne die Äste der Bäume kupferrot färbte, plumpste der Affe von oben herunter und landete genau auf Hamiltons Kopf, wo er ihm die Finger ins Haar krallte und wie eine verängstigte Katze fauchte. Aber das war noch nicht alles: im nächsten Moment gesellte sich ein zweiter Affe dazu, der durch die Luft segelte und sich wie eine Raupe an Dr. Hamiltons Schulter heftete. »Iiih-iiih«, kreischten sie und boxten wütend mit ledrigen Fäusten aufeinander ein, während dem Arzt der Kneifer in die eine und der Hemdkragen in die andere Richtung davonflog. Und dann, ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht waren, verschwanden sie wieder, huschten durch das Geäst von dannen wie zwei Phantome.
    Katherine konnte sich nicht beherrschen. Sie war erregt und zornig, geradezu blutrünstig, doch angesichts der völligen Hilflosigkeit dieses pedantischen kleinen Doktors gegen einen derartigen Ausbruch primitiver Energie mußte sie einfach loslachen. Zu seiner Ehre lachte der Arzt ebenfalls. Und auch der Muskelprotz O’Kane – der leichenblaß geworden war beim Anblick dieser zwei winzigen Hominiden, die kaum ein Zwanzigstel seines Körpergewichts wogen – fiel ein, wenn auch etwas verspätet und mit einem Gelächter, das wiehernd verklang.
    »Sie lassen sich einfach nichts sagen«, knurrte Hamilton in gespieltem Ärger, das Pincenez baumelte ihm vom Hals, sein Kragen lag zertrampelt auf dem Boden. Hoch oben sausten die Affen unter Kreischen und Gekecker durch die Baumwipfel. O’Kane trat von einem Fuß auf den anderen. Katherine drückte sich ihr Taschentuch ins Gesicht, um ein Niesen zu ersticken. »Ha!« rief Hamilton. »Ich kenne die Sorte, das können Sie mir glauben.« Dann stieß er ein etwas unpassendes Lachen aus. »Diese kleinen Teufel sind so schlimm – die sind schlimmer als meine Patienten.«
    Genau in diesem Moment verschwand alle Fröhlichkeit aus der Szene – so abrupt, als wäre sie in ein Vakuum abgesaugt worden. Katherines Gesicht brannte. Auf einmal verspürte sie nichts als Empörung. »Ich will meinen Mann sehen«, sagte sie mit dünner, kalter Stimme.
    Hamilton runzelte die Stirn. Er war so abscheulich wie lächerlich, mit einem Fleck Affenpisse auf dem Ärmel, dem Dreck im Haar – er war ein Mann, und er würde ihr ihren Wunsch abschlagen. »Ich hatte Ihnen eigentlich schreiben wollen«, sagte er.

5
    Giovannella Dimucci
    O’Kane hatte von Rosaleen geträumt – oder von einer Frau wie ihr, einem silbrigen Sukkubus mit federweichen Lippen und begierigem Fleisch, zum Greifen nahe, doch unerreichbar –, als ihn wie jeden Morgen das gepreßte, röchelnde Krähen von Sal Oliveirios zerfleddertem Hahn aufweckte. Gefolgt von brüllenden Kühen, einer konfusen Debatte von drei, vier italienischen Stimmen, und dann, nach einer Weile, vom Geruch eines Holzfeuers und dem starken Duft nach Kaffee und brutzelnden Spiegeleiern. Er stand nicht sofort auf – sein Dienst begann erst um acht Uhr –, sondern blieb liegen, starrte zur Decke empor und auf den dünnen Lichtfilm auf den Fenstern und hoffte, in den Traum zurückgleiten zu können. Er hatte einen Ständer – irgendwie hatte er in letzter Zeit dauernd einen Ständer, Tag und Nacht, und das lag daran, daß er wie ein Mönch in der Klosterzelle lebte –, und er streichelte sich mit langsamem, sehnsüchtigem Rhythmus, dachte dabei an Rosaleen, an die junge Frau im Zug, an Katherine, bis der Moment der Erleichterung kam und er wieder ruhig daliegen konnte.
    Doch er fand keinen Schlaf mehr, und das war ärgerlich, denn Schlaf war eine Abwechslung von der Langeweile, und er war gelangweilt, das mußte er sagen – nervös und rastlos und gelangweilt. Man schrieb Mitte Juli, er war jetzt sieben Wochen in Kalifornien, lebte im Erdgeschoß des großen Steingebäudes, in einem Zimmer des Dienstbotentrakts, während die Dienstboten – Itaker zumeist, aber es waren auch ein paar Spanier oder Mexikaner dabei – sich in den Hütten

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