Riven Rock
während am Fuß der Treppe Nick Thompson sich von einem Stuhl erhob, um sie aufzuhalten. »Da oben also ist er, stimmt’s?« fragte sie den älteren Thompson mit den leeren Augen und dem rübenförmigen Kopf. Überall sah sie Steingut, ganze Regale davon – Urnen, Schalen, Vasen, Näpfe –, alles in demselben stumpfen Erdbraun. Die Einrichtung war grauenhaft – es sah aus wie ein spanisches Bordell, wie eine Stierkampfarena, und sie hatte den starken Drang, alle diese Tontöpfe und den ganzen andalusischen Schnickschnack in einer Orgie von Lärm und Staub und Geklirre zu zerschlagen, denn in diesem Moment wurde ihr klar, daß man sie davon abhalten würde, die Treppe hinaufzugehen, sie sah es in ihren Augen und an der Art, wie sie ihr die Schultern entgegenschoben und sich wappneten, als wäre sie eine dieser Verrückten, die sie im McLean in einer kotverschmierten Zelle wegsperrten.
Sie setzte gerade den Fuß auf die erste Stufe, als O’Kane sie einholte – er berührte sie nicht, das würde er nicht wagen –, er nahm drei Stufen in einem Satz und fuhr von dieser höheren Position aus zu ihr herum, die Arme protestierend ausgebreitet, der starke Mann, der Lügner und Betrüger, die fleischgewordene Enttäuschung. »Mrs. McCormick, nein«, bat er, »bitte nicht. Dr. Hamilton hat gesagt...«
»Treten Sie beiseite!« sagte sie.
»Mrs. McCormick«, flehte er mit gequälter Miene und erhobenen Fleischerhänden, jetzt stand auch Nick neben ihm, und ihre Mutter zupfte sie von hinten am Arm, »es tut mir sehr, sehr leid, aber Dr. Hamilton hat gesagt, daß Ihr Mann im Augenblick keine Besucher sehen kann – noch nicht, meine ich –, und vor allem keine Frauen , wegen dem, was im Zug passiert ist, also ich meine diesen Vorfall...«
»Was für ein Vorfall?« Ihr blieb das Herz stehen. »Wovon reden Sie?«
Sie sah O’Kane einen Blick mit Nick Thompson wechseln, und dann sagte Nick, dieser großköpfige Muskelprotz, sie solle lieber mit dem Doktor sprechen; O’Kane stimmte dem zu, sein Kopf hüpfte auf und nieder, und ihre Mutter sagte: »Ja, das wäre am besten«, in dem Tonfall, den sie den Katzen gegenüber anschlug, wenn sie die Polstermöbel zerkratzten.
Katherines Puls knatterte wie ein Feuerwerkskörper. In ihrem Kopf dröhnten Trommeln. Nur mühsam konnte sie einen Schrei unterdrücken. »Gut, in Ordnung«, sagte sie, schüttelte die Hand ihrer Mutter ab und zwang sich, mit ruhiger Stimme zu sprechen, »ich rede mit Dr. Hamilton. Wo ist er?«
Wieder wechselten die beiden Männer auf der Treppe einen Blick. »Er ist draußen«, sagte O’Kane nach kurzer Pause.
»Draußen?« fragte Katherine verwundert. Da kam sie den weiten Weg hierher, und Hamilton war nicht einmal da, um sie zu empfangen? »Was tut er da, frische Luft schnappen?«
»Nein«, begann Nick, schob sich mit einem eckigen Zeigefinger den Krawattenknoten hoch und verzog unter dem Druck das Gesicht, »er ist draußen bei den...«
»Bei den Affen«, fiel ihm O’Kane ins Wort. »Den Hominiden. Sehen Sie, dieser Schiffskapitän aus Mindanao, der war gerade vor einer Stunde da und hat die ersten beiden Affen – also, Hominiden – in einem geflochtenen Käfig gebracht. Er hatte gehört, daß Dr. Hamilton nach Hominiden sucht, und da ist er mit Baldessare Dimucci, das ist der Mistkutscher, hier herausgefahren, und äh, die Affen, also die Hominiden, waren irgendwie überhitzt oder verkühlt oder so, und Dr. Hamilton mußte sie sich sofort ansehen, denn wenn er das nicht getan hätte, bestand die Gefahr, äh...«
Katherine wurde jetzt laut – sie konnte nicht anders. Es war nicht recht, vor dem Personal seine Gefühle zu zeigen – damit begab man sich auf dessen Niveau hinab, das wußte sie zeit ihres Lebens –, aber sie konnte sich nicht beherrschen, nicht hier und jetzt. »Genug damit!« schrie sie. »Der Mistkutscher und seine Affen sind mir schnurzegal – ich will meinen Mann sehen. Und wenn ich ihn nicht sehen darf, dann will ich den Grund dafür wissen. Würden Sie mich also unverzüglich zu Dr. Hamilton bringen, oder muß ich Ihnen erst allen kündigen und mit neuen Angestellten von vorn anfangen?«
Sechzig Sekunden später, nachdem sie entschieden hatte, ihre Mutter solle im Haus bleiben und »ein bißchen mit Mr. Thompson plaudern«, war Katherine wieder draußen und folgte O’Kane durch den Garten auf die Rückseite des Gebäudes. Wäre sie nicht so aufgebracht gewesen, hätte sie vielleicht Dr. Franceschis kühne Arrangements
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