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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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aufheulen und leise säuseln, und der süßliche Geruch nach Benzin drang schwach zu ihnen. Immer noch lächelnd, einen Finger im Mund, fragte Giovannella etwas leiser: »Mußt du nicht bei Mr. McCormick sein? Oder habt ihr die Schichten getauscht?«
    Wie in Trance ging O’Kane auf sie zu und setzte sich ihr zu Füßen auf die unterste Treppenstufe. Er roch ihren Körper, die Seife an ihren Händen, den sauren Essiggeruch des Abwascheimers. »Ja, eigentlich schon« – ein Zwinkern, bei dem er sie der Länge nach abmaß und den Blick in die Sonne hob, die ihren Kopf und die Schultern und die dunkle Kamee ihres Gesichts umrahmte –, »du kennst meinen Zeitplan aber genau, was?«
    Sie wurde nicht rot, nur das Lächeln erlosch einen Moment lang, ehe es zurückkehrte. Sie sah kurz über die Schulter auf Sam Wahs Silhouette, dann zupfte sie an ihrem Rock und setzte sich behende neben ihn. »Sicher doch. Ich kenne von jedem den Zeitplan –sogar von Mr. McCormick.«
    »Schlaues Mädchen«, sagte er.
    »Ja, ich bin ein schlaues Mädchen.« Ein Hauch von Akzent. Sie war neun Jahre gewesen, als ihr Vater aus Marsala ausgewandert war, und sie war ebenso amerikanisch wie alle anderen, zum Beispiel wie Rosaleen, nur dunkler, wesentlich dunkler, dunkler, als es sich ein Ire je vorstellen konnte. Rosaleens Haut war weiß wie Porzellan, kreideblaß, mondbleich, so hell, daß die Adern an den Knöcheln, den Handgelenken und zwischen den Brüsten blau hervortraten; Giovannellas Haut dagegen war wie Darjeeling, der zu lange in der Kanne gezogen hatte und in eine Tasse mit heißer Milch gegossen worden war, Tropfen für Tropfen. Er liebte diese Haut. Er wollte ihre Finger lecken, ihre Hände, ihre Füße.
    »Er ist ein sehr gefährlicher Mann«, sagte O’Kane, um sich abzulenken.
    »Wer?«
    »Mr. McCormick.«
    Die Sonne, die Blumen, das leise Gegacker der Hühner, das Dröhnen des Motors. Giovannella hob die Augenbrauen.
    »Er ist das, was man einen Triebtäter nennt – weißt du, was das ist?«
    Sie wußte es nicht. Oder tat jedenfalls, als wüßte sie es nicht.
    »Er braucht – na, also er hat ständig ein körperliches Bedürfnis nach Frauen, verstehst du? Er wird gewalttätig. Und wenn er seinen Willen nicht kriegt, dann dreht er bei der ersten Gelegenheit durch und geht auf eine Frau los, auf irgendeine – sogar auf seine eigene.«
    Ihr Gesicht hatte sich verdüstert, und er fragte sich, ob er zu weit gegangen war, sie schockiert hatte, doch dann verflog die Maske; sie beugte sich dicht zu ihm heran und legte ihm die Hand auf den Ellenbogen. »Klingt wie ein ganz normaler Mann für mich.«
    O’Kane durchzuckte es heiß. Es war, als ob in ihm eine Brandbombe geplatzt wäre – schlagt Alarm und holt die Feuerwehr! »Hör mal«, sagte er, »du weißt doch, daß ich dich sehr mag, du bist nämlich wirklich witzig, aber hier ist es so gräßlich langweilig, oder?Ich meine, ich könnte vielleicht Roscoe überreden, uns heute abend mit einem von den Packards in die Stadt zu fahren, das heißt, wenn du mitkommen willst... mit mir, meine ich... wir beide.«
    Sie sah erneut über die Schulter, als könnte jemand sie belauschen. Sie senkte den Kopf und sie blickte sich verstohlen um. Ihr Vater würde sie niemals gehen lassen, das war O’Kane klar, obwohl Baldy keine Ahnung hatte, daß O’Kane verheiratet war. So waren die Italiener nun mal, wenn’s um ihre Frauen ging – vor allem um ihre Töchter. Sie mißtrauten jedem männlichen Wesen zwischen elf und achtzig, außer er war Priester, und ganz egal wie beschickert sie von ihrem Grappa und ihrem Bardolino waren, ein Auge hielten sie immer offen, sie waren wachsam, auf der Hut, sprungbereit. Er war sicher, daß sie nein sagen würde, daß sie sich hinter dem Verbot ihres Vaters verstecken würde, hinter dem Hexenschuß ihrer Mutter und der dringenden Notwendigkeit, sich um ihre zerlumpten, barfüßigen kleinen Geschwister zu kümmern und das Feuer unter dem großen Topf mit pasta e fagioli in Gang zu halten, doch sie verblüffte ihn. Sie preßte die Lippen aufeinander und holte tief Luft, sie suchte mit Blicken den Hof ab, um ihn schließlich rundheraus anzusehen und zu flüstern: »Also wann?«
    O’Kane war betrunken, als er in den Wagen stieg und, während Mart auf dem Beifahrersitz herumzappelte, Roscoe instruierte, bei der Olivenmühle an einem dunklen Weg haltzumachen, wo die ganz in Weiß gekleidete Giovannella barfuß aus einer Lücke in den Oleanderbüschen huschte und

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