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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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war nicht gerade begeistert, denn nun mußte er bei Schichtwechsel die erste Stunde des Tages allein bei Mr. McCormick sitzen, und vielleicht war er auch ein wenig eifersüchtig, weil er sich daran gewöhnt hatte, O’Kane für sich zu haben, weil er nach einer eigenen Braut und einem eigenen Leben lechzte, aber er war so schüchtern und maulfaul, daß er tot umgefallen wäre, wenn ihn ein Mädchen auch nur angesehen hätte. Katherine und ihre Mutter packten Ende Oktober ihre Koffer und reisten an die Ostküste zurück, Dr. Hamilton beschaffte sich ein weiteres Dutzend Affen, der Himmel wußte woher, und Julius, der große orangegelbe Menschenaffe, bekam – in Ermangelung eines Partners, den er besteigen, beschnüffeln und mit Urin beschmieren konnte – freien Auslauf auf dem Gelände, so daß er wie von Geisterhand mal auf dem Garagendach saß, mal in der Küche auftauchte, wo er auf einem Dreibeinhocker die Füße unter sich kreuzte, ein kaltes, tropfnasses Glas Milch in der spinnenartigen Hand. Und zu Hause, in der Dreizimmerwohnung, die sie von einem Munitionshändler im Ruhestand namens Rowlings gemietet hatten – er wohnte über ihnen und kontrollierte jeden ihrer Schritte –, gab sich Rosaleen, die wenig Talent als Hausfrau besaß, die allergrößte Mühe, die Abfallhaufen von einer Ecke der Wohnung in die andere zu schieben, und brachte jeden Abend eine gute Stunde damit zu, auf dem neuen Acme-Ofen in der Küche ein Stück Fleisch zu opfern.
    Nicht lange, und es war Winter, ohne Eis und ohne Schnee, der Sonnenschein floß herab wie flüssiges Gold, rauschende Regenfälle stellten die Erde auf den Kopf und lockerten die Felsblöcke im Hot Springs Creek wie die Zähne in einem Boxerkiefer, und jedes Blatt an jedem Baum war grün wie der Garten Eden. O’Kane schickte seiner Mutter Photos von den Palmen und den Blumen im Winter, und sie schrieb zurück, niemand in der Nachbarschaft wolle das glauben, so ein Wetter, und was sie daheim doch für einen bitterkalten Winter hätten, sein Cousin Kevin liege mit einem Lungenleiden im Bett, und die Ärzte wüßten nicht weiter, und Onkel Billy habe das Wechselfieber erwischt, aber ihr gehe es gut, wenn man einmal von dem Ischiasschmerz absah, der sie alle fünfzehn Sekunden wie die Mistgabel des Satans durchbohrte, Tag und Nacht, und sein Vater sei, dreimal auf Holz geklopft, immer noch so kräftig wie an dem Tag, da er seinen letzten Kampf geboxt hatte, schließlich war er ja in Alkohol konserviert wie ein Goldfisch im Glas, der kriege nicht mal Schnupfen. O’Kane konnte über das Wetter nicht klagen – er vermißte den Schnee kein bißchen, nicht einmal zu Weihnachten –, doch im Laufe der Zeit fiel ihm Rosaleen auf die Nerven.
    Erstens war die Wohnung zu klein, obwohl sie ihm mächtig groß erschienen war, als er sie damals gemietet hatte, und der Kleine war ständig unterwegs, er konnte jetzt laufen und rannte in alles hinein, er schrie die ganze Nacht wie eine lebendig gehäutete Katze und kackte seine Windeln voll, als wäre er der Schutzgeist der Scheiße persönlich. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, im Müll zu stöbern, den Rose nie auskippte, und wenn er mal länger als fünf Minuten hintereinander still war, dann hockte er garantiert hinter dem Sofa, in der Hand einen halb abgenagten Knochen oder eine weiß verschimmelte Orange. Und das war auch komisch, das mit den Orangen. In O’Kanes Kindheit hatten sie fünf Cents das Stück gekostet, soviel wie ein Bier, er bekam sie nur an Weihnachten zu Gesicht – wenn er Glück hatte. Jetzt aber ertrank er in den Dingern, lawinenweise Orangen, für einen Fünfer gab’s einen ganzen Korb davon, und er mochte nicht einmal mehr den Geschmack, sie waren zu zuckrig, von einer fast giftigen Süße, und der Saft lief einem das Kinn herunter und verklebte die Finger.
    Und dann Rosaleen. Sie war so geistlos, dumm wie eine Miesmuschel, brabbelte den ganzen Tag vom Nähen und von Schnittmustern, und was nun hübscher sei, das blaue oder das gelbe, bis er manchmal vom Tisch aufspringen und ihr die Kehle zudrücken wollte. Und ihre Haushaltsführung – oder das Gegenteil davon! Sie war ebenso dreckig und desorganisiert wie ihre käsegesichtige Mutter und ihre knolligen Brüder, schmutzige Iren, Baracken-Iren, die es nicht wert waren, seiner Mutter den Rocksaum zu küssen, denn bei den O’Kanes hatte man nie auch nur ein Staubkorn gesehen, gleichgültig, wie arm sie waren. Außerdem nahm sie zu, und das trieb ihn

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