Riven Rock
begeistert. Einstweilen jedenfalls nicht. Pat dagegen regte sich, er sah über die Schulter auf Mr. McCormick, der anscheinend schlief, obwohl sich das schlecht sagen ließ, weil er in letzter Zeit so blockiert und leblos war, und sagte, klar, er hätte Lust, ein paar Runden zu spielen.
»Ach übrigens«, knurrte Nick nebenbei, »hast du das in der Zeitung gelesen?«
O’Kane durchquerte bereits das Zimmer, er hatte vor, seinen Teller und das Glas auf der Anrichte zu plazieren, während er den Kartentisch aufstellte, doch jetzt hielt er inne, erstarrte mitten in der Bewegung. »Was?«
»Das da. Hier drin.«
O’Kane stand da wie ein Meßdiener, den Kollektenteller vor sich ausgestreckt, nur daß auf dem Teller Schinken und Kartoffeln lagen und kein Haufen taschenblanker Münzen, und er war kein Meßdiener mehr, jetzt nicht mehr. Er sah über Nicks Schulter dorthin, wohin Nicks dicker Fingerstumpf deutete, und da war es, die nackte Wahrheit über die Eisprinzessin, in 6-Punkt-Schrift:
VORMUNDSCHAFT FÜR MCCORMICK AN EHEFRAU
Vor dem hiesigen Bezirksgericht stellte heute Mrs. Katherine Dexter McCormick, die Gattin von Stanley Robert McCormick aus Riven Rock in Montecito, den Antrag, ihren Ehemann für unmündig erklären zu lassen. Mr. McCormick, der jüngste Sohn des verstorbenen Cyrus Hall McCormick, des Erfinders der mechanischen Mähmaschine, leidet seit seiner Heirat mit Mrs. McCormick im Jahre 1904 an Geisteskrankheit. Der Ehrenwerte Bezirksrichter Bailey M. Melchior bestimmte Mrs. McCormick zusammen mit Henry B. Favill und Cyrus Bentley, beide aus Chicago, zu gemeinsamen Vormündern.
»Na, was hältst du jetzt von dieser armen, untröstlichen Ehefrau, Eddie? ›Sie liebt ihn, und sie möchte bei ihm sein‹, hast du das nicht damals gesagt?« Nick sah aus zusammengekniffenen Augen, die tief in seinem fetten Kürbiskopf versunken waren, zu ihm auf. Er fuhr sich mit dem Finger über das Jackettrevers und griente dabei, als hätte er gerade eine unwahrscheinliche Wette gewonnen. Vom anderen Ende des Zimmers hörte er Pats gepreßtes Gelächter, das wie ein Bellen klang.
O’Kane zuckte die Achseln. »Zwischen ihr und mir gibt’s wahrhaftig wenig Grund zur Liebe«, sagte er und dachte dabei an den Vortrag, den ihm Ihre Kaiserliche Hoheit über das Spielen mit der Liebe junger Mädchen gehalten hatte, als hätte sie die leiseste Ahnung davon, was zwischen Mann und Frau vorging, und das nagte immer noch an ihm, denn keine Frau hatte ihm etwas vorzuschreiben, schon gar nicht wenn es um seine Privatangelegenheiten ging. »Ich bin hier in Mr. McCormicks Interesse – für sie würd ich nicht mal über die Straße gehen, wenn du die Wahrheit wissen willst.«
»Das überrascht mich aber doch«, brummelte Nick, immer noch mit spöttischem Unterton und glitzernden Augen, er spielte Katz und Maus mit ihm. »Du warst doch ganz hingerissen von ihr – ist noch gar nicht so lange her. Hab ich recht, Pat?«
Der Teller in seiner Hand wurde kalt. Draußen vor den Fenstern dämmerte der Himmel. Es wurde immer später, und er wußte, daß Rosaleen inzwischen in der Küche rackerte: wahrscheinlich brannten auf ihrem Herd die Töpfe an, sie stand bis zu den Knöcheln im Müll, das Baby hockte hinter dem Sofa, irgendeinen Schlachtabfall im Mund, und sie nahm einen ordentlichen, wütenden Schluck aus der Flasche, die sie hinter dem Eisschrank versteckt hatte, wo niemand je suchen würde. Er überlegte, ob er den alten Rowlings anrufen und bitten sollte, ihr Bescheid zu sagen, aber dann dachte er: Wozu die Mühe? Inzwischen tobte sie vermutlich sowieso schon. Er sah Pat scharf an und wandte sich dann mit erneutem Achselzucken wieder an Nick: »Sagen wir einfach, daß mir die Augen aufgegangen sind.«
Nick drehte sich auf seinem Stuhl halb um, eine massige Gestalt ohne Hals und mit Schultern, die aussahen wie mit der Luftpumpe aufgeblasen. »Ich hab dir gleich von Anfang gesagt, das ist eine Goldgräberin, oder etwa nicht?«
»Also, ich werde sie nicht verteidigen, das nicht mehr, aber ich glaube trotzdem, daß du unrecht hast. Wenn ich mich nicht irre, hat ihr ihr Vater selbst ein paar Millionen hinterlassen – und dazu dieses Schloß in der Schweiz und das alles. Wozu braucht die denn sein Geld?«
»Haha. Hast du das gehört, Pat? Wozu braucht die denn sein Geld? Komm, Eddie, wach auf. Bist du jemals wem begegnet, der gemeint hat, er hätte genügend Geld? Wer so reich ist, der will nur noch reicher werden.«
O’Kane
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