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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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gemeiner, als er je angenommen hatte! Wie sollte er sich nun verhalten? Ungehorsam zog die schlimmsten Strafen nach sich, Gehorsam hieß jedoch in diesem Falle, dass dieses ungeheuerliche Pamphlet tatsächlich veröffentlicht wurde.
    „Kommt am späten Nachmittag wieder, Fébus“, sagte er leise, „dann entscheide ich, was damit geschieht.“
    „Aber ...“
    „Kein Aber, ich trage die Verantwortung.“

19
    Und sieh, auf einen, dicht an unsrem Rand,
    fuhr eine Natter los, hat ihn durchstochen ...
    Dante, Die Göttliche Komödie

    Als der Schreiber gegangen war, trat Saint-Georges ans Fenster, öffnete es und ließ die kühle Morgenluft herein. Die Sonne strahlte so heiter vom Himmel, als wollte sie selbst sich seiner Seelenpein annehmen. Er beobachtete angeekelt, wie Abbéville noch einmal den Kopf aus dem Wagen steckte und dem Pferdeknecht etwas zurief. Dann, als die Staubwolke Ross und Wagen endlich verschluckt hatte, atmete er tief die frische Luft ein, setzte sich an sein Pult und las ein weiteres Mal Abbévilles Dekret.

    Bekanntmachung
    Hiermit wird kundgetan, dass der Verstorbene
    Castel Fabri
    zu Carcassonne
    auf seinem Totenbett häretisiert worden ist.
    Jedermann, der dennoch das Andenken
    Castel Fabris
    zu verteidigen wünscht,
    wird aufgefordert,
    am Tag des Heiligen Ignatius
    vor der Inquisition zu erscheinen.
    NIKOLAUS VON ABBÉVILLE
    Inquisitor von Carcassonne und Albi

Saint-Georges Hände zitterten, als er das Pergament zur Seite legte. Bonifatius nimmt Rache, dachte er, und Abbéville ist sein Erfüllungsgehilfe. Das Komplott, das beide in Rom geschmiedet hatten, nämlich Castel Fabri nachträglich als Ketzer hinzustellen, war so genial wie schandbar. Als er aufstand auf, um das Fenster wieder zu schließen, bemerkte er, wie sich sein Gesicht im Butzenglas zugleich teilte und verzerrte, und er wusste, dass der Bogen endgültig überspannt war. Natürlich kannte er längst alle Schattenseiten und Auswüchse seiner allgegenwärtigen römischen Kirche, er hatte sie schließlich am eigenen Leibe kennengelernt. Die Willkür gegenüber angeblichen oder offensichtlichen Ketzern konnte man noch mit notwendiger Strenge entschuldigen, dieser üble Schurkenstreich aber gegen einen völlig Unschuldigen, ging entschieden zu weit.
    Sprach man jedoch Castel Fabri tatsächlich am Tag des Heiligen Ignatius schuldig, konnten alle, die im Roten Haus wohnten, angeklagt werden, auch Rixende Fabri!
    Was sollte er nun tun?
    Die Kutte offiziell ablegen? Eine Versetzung in den Laienstand war in seinem Fall nicht möglich.
    Bei Nacht und Nebel aus dem Land verschwinden, also ein entlaufener Dominikaner sein? Auch das widerstrebte Saint-Georges, zumal er dann Rixende gar nicht mehr helfen konnte. Doch wie konnte er ihr zur Seite zu stehen, ohne dass sich die Schlinge um seinen eigenen Kopf zog?
    Am späten Nachmittag gab er Fébus die Order, die Anklageschrift zu vervielfältigen und an alle Kirchentüren und öffentlichen Einrichtungen in der Cité und der Vorstadt zu heften.
    Dann schrieb er einen langen Brief nach Paris.

    Der Lärm war kaum auszuhalten. In die winzige, fast kahle Zelle von Bernhard Délicieux hatte sich um die Mittagsstunde ein frühes Heimchen eingefunden. Er konnte es sehen, dort in der Ecke, neben dem Fensterloch, konnte beinahe beobachten, wie es seine zarten Deckflügel aneinanderrieb, um zu zirpen. Er hätte es leicht einfangen können, um es wieder ins Freie zurückzutragen. Doch das Tier war zu zart für seine Hände.
    Castel Fabri – angeklagt als Ketzer! Gerade eben hatte er es erfahren. Diese Dominikaner, dachte er verzweifelt. Warum gaben sie keine Ruhe? Nun war Délicieux nicht der Mann, der alles Böse auf den Teufel zu schieben pflegte. Dieser Irrglaube, dem vornehmlich die Ketzer anhingen, nämlich, dass der Teufel die Welt erschaffen hätte, war ihm zutiefst zuwider. Gott ist zu groß, um sich die Zügel aus der Hand nehmen zu lassen, er weht durch alle Dinge seiner Schöpfung, auch durch jenes übermütige Heimchen dort, doch weshalb – so fragte er sich nicht zum ersten Mal –, weshalb nur ließ er es zu, dass seine eigenen Streiter derartig fehlten, dass sie sich in ihrem Wahn, ihrer Machtbesessenheit oft selbst wie Teufel benahmen. Castel Fabri hatte jedenfalls gut daran getan, auf Elias Patrices Rat zu hören und sich im Angesicht des Todes Zeugen zu wünschen.
    Bernhard Délicieux – endlich des Heimchens überdrüssig – stand auf, um Rixende Fabri aufzusuchen. Dort hatte

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