Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Saint-Georges bemüht freundlich, ohne den Vorgang näher zu werten. Doch gerade das machte Nikolaus misstrauisch.
„Und wie ist die Stimmung in der Stadt? Gab es Beschwerden? Aufruhr? Sagt!“
Saint-Georges schüttelte den Kopf. „Mir ist nichts bekannt.“
„Wie? Weiter habt Ihr nichts zu berichten? Lasst Euch doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen! Was sagt Ihr selbst dazu?“
„Das Dekret war Eure Entscheidung, Bruder Nikolaus. Das habe ich hinzunehmen.“
„Schwätzer! Diese Einsilbigkeit ist nicht Eure Art. Redet gefälligst offen mit mir! Ihr seid nicht der Büttel hier im Haus, der alles schlucken muss, was ich ihm hinwerfe. Oder seid Ihr vielleicht beleidigt, weil ich Euch nicht vorher hinzugezogen habe?“
„Nein. Ich bin nicht beleidigt, doch erinnere ich mich an mehrere harsche Dispute mit Euch, als ich bestimmte Leute aus Albi in Schutz genommen hatte.“
„Wollt Ihr damit andeuten, dass man mit mir nicht reden kann?“
Saint-Georges stand wie festgewachsen im Raum und versagte sich jegliche Antwort.
„Euer Schweigen ist beredt, Fulco von Saint-Georges“, stieß Nikolaus nach einer kurzen Weile hervor, und seine dicke Unterlippe zitterte leicht, wie Fulco erstaunt wahrnahm. „Es hat zudem einen arroganten Unterton! Doch ego sum, qui sum – Ich bin der, der ich bin“, fuhr er gefährlich leise fort. „Mein Verweser will nicht mehr mit mir reden, gut – dann muss er lernen, zu arbeiten wie alle anderen Auskundschafter, die in meinen Diensten stehen. Euer Objekt ist die Schwiegertochter des Angeklagten Fabri, Rixende. Ich erwarte eine lückenlose Überwachung dieser Person und einen ausführlichen Bericht über ihr Vorleben.“
„Ich soll wie ein gemeiner ´Familiares` Kundschafterdienste machen und die Witwe Fabri beobachten?“ Fulco spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
„Wieso seid Ihr überrascht? Ich habe Euch diese Aufgabe doch bereits angekündigt. Ihr wollt Euch wohl nicht gerne die Hände schmutzig machen, oder? Würdet Ihr Euer Amt ernst nehmen, so hättet Ihr längst herausgefunden, woher diese Frau stammt. Schließlich kann sie nicht vom Himmel gefallen sein, nur um sich in Fabris gemachtes Nest zu setzen.“
„Sie kommt aus Gavarnie ...“
Abbéville lachte auf. „So, so, aus Gavarnie? Aus den Bergen! Das also hat sie Euch erzählt!? Bruder Fulco, benutzt doch endlich Euren Verstand und nicht nur ... Nun, lassen wir das. Glaubt Ihr ernsthaft weiter an das Märchen, dass sich der steinreiche Castel Fabri ein ihm unbekanntes, armes Ding vom Land als Schwiegertochter in sein Geschäft geholt hat? Also bringt endlich die ganze Wahrheit über diese Frau heraus! Und macht Euch auf die Beine.“
Rixende hatte mit Elias Patrices Unterstützung bald ein passendes Schiff gefunden. Da es zugleich Segel- und Treidelschiff war, verbürgte es, unabhängig vom Wind in jedem Fall eine schnelle Fahrt. Sie reisten mit leichtem Gepäck, weil sie auf der Rückreise über Land zu reiten gedachten.
Am Ufer, neben der Zoll- und Hafenmeisterei, standen schon die Leinenreiter mit ihren Pferden, einige führten ihre Tiere ein letztes Mal zur Tränke, andere hievten Fässer mit Trinkwasser und Wein an Bord, dazu Säcke oder Bündel mit Korn, Heu- und Stroh. Rixende, die ein grünes Reisekleid aus strapazierfähigem Leinen trug, betrat an der Seite Abu Ras’ das kleine Frachtschiff, das an diesem Morgen des fehlenden Windes wegen die Segel gerefft hatte. Obwohl gerade erst die Sonne aufging, wiegte sich auf den Querbalken des Mastes bereits ein gutes Dutzend frecher Spatzen, die die Ankömmlinge neugierig beobachteten. Sanft schlugen kleine, fast müde Wellen an die Planken der blauen „Jeanne“, deren Galionsfigur aus einer kunstvoll geschnitzten und buntbemalten Frau mit langem gelbem Haar bestand. Fischer entluden ihren nächtlichen Fang oder kontrollierten gerade die im Fluss befestigten Stellnetze und Reusen, wieder andere flickten, auf der Uferböschung sitzend, in aller Gemütsruhe ihre Netze, und Scherzworte flogen zwischen ihnen nur so hin und her.
Der Kapitän überwachte persönlich die Unterbringung der Reisenden sowie das Verstauen der Fracht. Er war ein wettergegerbter, kräftiger Geselle mit feuerrotem Haar. Kurz vor dem Ablegen kam er mit ehrerbietigem Lächeln auf Rixende zu, um ihr – weil sie die einzige Frau an Bord war – seinen eigenen Stuhl anzubieten, damit sie die Abfahrt im Sitzen beobachten konnte.
Abu Ras hatte keine Zeit dem bunten Treiben
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