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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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waren. Ja, sie gab sich selbst sogar weiter die Schuld, vermutete, dass sie es war, die die Inquisition nach Tarusco gelockt hatte. All das belastete Rixendes Gewissen schwer, aber gerade diese Selbstvorwürfe konnte sie keinem Beichtvater anvertrauen. Die Kirche war längst nicht mehr der Ort, an dem man frei über seine Nöte sprechen konnte. Statt Vertrauen herrschte nur noch Angst.
    Völlig gewiss war sich Rixende, den Geliebten nie mehr zu Gesicht zu bekommen. Er hatte sie aufgegeben und vergessen, anders konnte sie sich sein Verhalten nicht erklären. Es war wohl ihr eigener innigster Wunsch gewesen, der ihr in der Grotte vorgegaukelt hatte, dass es für sie eine Zukunft mit diesem Mann geben könnte.
    Da sich Rixende niemandem anvertrauen konnte, musste sie den Schmerz, die Trauer, die Selbstvorwürfe allein tragen. Die goldene Kapsel hatte sie heimlich neben ihrem kleinen Brunnen vergraben. Die Geheimen Worte schienen ihr in der Nähe des Wassers am besten aufgehoben, auch wenn es sich nicht um den Paradiesstrom handelte.
    So war ihr in dieser Zeit einzig die dicke Köchin ein Trost. Benete begann die junge Frau nach Strich und Faden zu verwöhnen, tischte ihr mitten im Winter allerlei Köstlichkeiten auf, erzählte ihr täglich die Neuigkeiten aus der Stadt, bis Rixende wieder ein wenig aufblühte und gesprächiger wurde.
    Nur wenn die Köchin anfing, auf Fulco von Saint-Georges und seinen gotteslästerlichen Lebenswandel zu schimpfen, pflegte ihr Rixende das Wort abzuschneiden. Benete hatte sich schon mehrmals darüber verwundert. Doch nach der seltsamen Bitte, die Rixende einige Zeit später äußerte, wusste die Köchin überhaupt nicht mehr, was sie von ihrer Herrin halten sollte.
    „Benete, ich muss mit diesem Authié reden“, hatte sie sie an einem Abend wie beiläufig erwähnt, und die Schüssel mit dem herrlich duftenden Mandelpudding von sich geschoben. „Du weißt schon, wen ich meine …“
    Benete erschrak. Was wollte Rixende plötzlich von einem parfait , von Authié obendrein, der als Anführer der ganzen Katharer im Land galt? Handelte es sich um eine Falle, in die die Herrin im Begriff war hineinzutappen? Doch diesen Verdacht getraute sie sich nicht auszusprechen.
    „Habt Ihr vor überzutreten, Herrin?“ fragte sie statt dessen.
    „Nein, ich muss nur mit ihm reden. Ich habe in Tarusco jemanden getroffen, der mich bat, Authié etwas auszurichten. Doch geh noch vorsichtiger zu Werke als sonst, Köchin. Wir können alles gebrauchen, nur nicht die Spitzel der Inquisition oder die der Reformatoren.“
    „Es kann eine Zeitlang dauern, Herrin.“
    „Es eilt nicht, Benete, Hauptsache, ich kann ihn treffen, bevor sich der König ansagt.“

    Hatte Fulco von Saint-Georges schon im Kloster von Carcassonne wenig mit seinen Brüdern gesprochen – was ihm von einigen als Hochmut ausgelegt wurde, aber eher mit seinem Amt als Inquisitor zusammenhing, das viele Männer sonderbar machte –, so brütete er als Prior in Avignon in jeder freien Minute düster vor sich hin. Die Mönche sahen mit einer Mischung aus Respekt und Furcht, aber auch mit einer gewissen Ratlosigkeit ihren neuen Prior stundenlang mit finsterem Blick im Kreuzgang auf und ab schreiten. Insgeheim waren die wildesten Gerüchte über ihn im Umlauf. Angeblich hatte man ihm ein großes Unrecht zugefügt, wobei sich einige hämisch zuraunten, er sehne sich nun wohl nach einem Martyrium. Nicht wenige hatten auch in Erfahrung gebracht, dass ein Weib hinter seinem Verhalten steckte. Dies jedoch bestritten wiederum jene heftig, die sich von niemandem davon abbringen ließen, dass dem neuen Prior gewiss das Humanum nicht fremd sei, ihn das abscheuliche Amt als Inquisitor jedoch schwermütig gemacht habe. Man müsse eben mit dem Ehrwürdigen Vater Geduld haben, das erfordere schon die Christenpflicht.
    Obgleich es sich – wie bei jedem Kloster – um eine abgeschottete Gemeinschaft handelte, waren die Dominikaner von St. Nicolas in Avignon bekannt für ihre Aufgeschlossenheit und Menschlichkeit. Dies lag nicht zuletzt in der Person des letzten Abtes. Petrus von Pirenne war ein frommer, aber leutseliger und trinkfester Mann gewesen, der auch mal fünfe gerade sein lassen konnte. Seine Lieblingsgeschichte, die er den Mönchen mindestens einmal im Monat erzählte, lautete so:
    „Auf seinem Krankenbett rief der Heilige Dominikus zwölf der mit höherem Augenmaß begabten Brüder zu sich, und er begann, sie zur Begeisterung, zur Förderung des

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