Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
welcher Seite er stand.
Über seine Liebe zu Rixende sprach er nicht, doch er schämte sich seiner Feigheit.
Aber auch Angelo gab in dieser Nacht, in der ein heftiger Sturmwind heulte, der unablässig an den hölzernen Läden des Klosters zog und zerrte, als ob er mitten hineinfahren wollte, sein Innerstes preis. Und was da ans Licht kam, erschütterte nicht nur Fulco von Saint-Georges, sondern Angelo selbst, der es erstmals aussprach.
„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Bruder Fulco“, sagte der Mönch bedächtig, als der Morgen bereits graute, „dass unsere Obrigkeit, die hinter allerlei Geld und Gut her ist, obendrein auch eine unnatürliche Freude an der Qual anderer hat. Doch was kann ein einzelner Mensch ausrichten gegen Rom? Die meisten von uns sind – verzeiht - brave Schafe, zu einfältig oder zu unerfahren. Auch Ihr selbst habt erst am eigenen Leib erfahren müssen, wie sehr die Demut vom Hochmut abgelöst wurde. Es beschämt mich zutiefst, dass es sich ausgerechnet um unseren Orden handelt, der sich für die Inquisition die Finger schmutzig macht und auch noch stolz darauf ist. Ich befürchte, es wird eines Tages so weit kommen, dass es heißt: Rettet die Welt vor den Dominikanern! Ich bin beileibe kein Anhänger des Heiligen Franziskus, versteht mich bitte nicht falsch, aber seht Euch einmal aufmerksam um in Gottes Welt. Kein Grashalm, kein Baum und kein Kraut entspricht dem neben ihm. Das gleiche gilt für Mensch und Tier. Vielfalt ist ganz sicher gottgewollt. Wie kann Vielfalt jedoch einhergehen mit dem einzigen von Rom geduldeten Glauben? Religionen sind wie Heilkräuter, aber nicht für jede Krankheit ist das gleiche Kräutlein geeignet. Mit dieser Meinung stehe ich allerdings ziemlich allein da.“
„Nicht für jede Krankheit ist das gleiche Kräutlein geeignet ...“, wiederholte Fulco nachdenklich. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Dennoch, ich bin überzeugt, dass der Mensch mit dem, was die alten Griechen Chaos nannten, nicht umzugehen weiß. Nein, ich revidiere: auch Chaos ist nicht das richtige Wort. Die Griechen benutzten es für den leeren Raum vor der Erschaffung der Welt. Nehmen wir lieber Wirrwarr. Vielfalt, Durcheinander und Wirrwarr ist den Menschen zutiefst zuwider, denn sie sind auf Ordnung bedacht. Ordnung wiederum ist die Voraussetzung, um andere Menschen zu überwachen. Macht und Ordnung bedingen einander. Ordnung und Macht … Wirklich interessant, Eure These. Vielleicht habt Ihr recht, es ist ganz sicher eine Vermessenheit, der gesamten Menschheit einen einzigen Glauben überstülpen zu wollen.“
„Tja, wenn es sich nur um reines Überstülpen handelte, lieber Bruder Fulco“, meinte Angelo kopfschüttelnd. „Ihr wisst es am besten: Wir, die wir daran beteiligt sind, wir machen uns mitschuldig, weil wir nicht aufstehen und Rom Einhalt gebieten - bei der Ausrottung der Ketzer beispielsweise.“
„Ihr geht mit uns und unserer Kirche hart ins Gericht, Bruder! Das hat sie nicht verdient. Die Ketzer sind …“
„Ich wage sogar, noch einen Schritt weiterzugehen, und sage: Um den einzigen, den rechten Glauben unserer heiligen Mutter Kirche kann es nicht wohl bestellt sein!“
„Wie meint Ihr das?“ fragte Fulco barsch. „Seid Ihr am Ende ein Zweifler?“
„Nein, doch überlegt mit mir, Bruder: Glaubten der Papst und seine Gefolgsleute tatsächlich selbst an das Fegefeuer, die Höllenqualen, die ewige Verdammnis, mit denen sie die Menschen beständig einschüchtern, so müssten viele von ihnen sich derart vor ihren eigenen Sünden fürchten, dass sie den Rest ihres Lebens auf den Knien im Gebet herumrutschen müßten, um der Verdammnis zu entgehen. Oder bilden sie sich ein, dass sie mit dem Überstreifen der Kutte zugleich einen besonderen Ablass mit dem Herrn ausgehandelt haben?“
Fulco, der solch offene Worte nie zuvor von einem Mönch vernommen hatte, zog erstaunt die Brauen hoch.
„Es ist ganz bestimmt Gotteslästerung, was ich jetzt sage, und es kann mich gewiss den Kopf kosten“, Angelo, der im Verlauf des Disputes immer mutiger geworden war, begann nun zu flüstern, „doch vielleicht war es ein Fehler, dass unser Herr Jesus Christus all unsere Sünden auf sich genommen hat, so dass manche glauben, sie hätten alleine der Gnadenmittel wegen einen Freibrief für alle Bosheiten und Grausamkeiten in dieser Welt!“
Fulco dachte an Abbéville und lachte zynisch auf. „Etwas hat mir allerdings schon während meines Studiums zu denken
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