Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Parteien äußerst geduldig angehört. Dann gab er seine Entscheidung in einem Edikt bekannt. Ungewohnt wortreich erklärte er, dass er nach Okzitanien gekommen wäre, um das Land, das durch das Wirken der Inquisition in Aufregung versetzt sei, wieder zu beruhigen. Er ging auch auf die Albigenser ein, die sich nun in königlichen Gefängnissen befänden, in guter Obhut also, wie er betonte. Alle Prozesse, in denen ein Urteil noch ausstünde, sollten gemeinsam von der Inquisition und Abgesandten des Königs geprüft und geführt werden.
„Wir befehlen unseren Beamten, auf Verlangen den Inquisitoren und bischöflichen Ordinatorien in jeder Weise beizustehen und die Dominikaner, ihre Kirchen und Häuser vor Unrecht und Gewalt zu schützen“, sagte er am Ende seiner Ausführungen.
Die Enttäuschung war groß, vor allem, als bekannt wurde, dass es der Bischof von Albi, Bernhard von Castaignet, offenbar verstanden hatte, sich vor dem König ins rechte Licht zu setzen. Zwar hatte man dem Zisterzienserabt von Fontfroide die Bischofswürde von Albi angetragen, Castaignets Temporalien mit Beschlag belegt und ihn mit zwanzigtausend Livre Tournois eines großen Teils seines schnöden Gewinnes beraubt, doch durfte er unbeschadet nach Albi zurückkehren. Délicieux warf deshalb dem König vor, das Geld der Gerechtigkeit vorzuziehen.
„Wenn die Dominikaner richtig gehandelt hätten, so müssten sie jetzt nicht beleidigt werden, indem man ihnen zukünftig Bischöfe als Aufpasser zur Seite stellt, wenn sie aber unrecht getan haben“, sagte er aufgebracht zu Elias Patrice und Pequigny, als sie von Toulouse nach Carcassonne zurückritten, „so müssen sie durch andere ersetzt oder abgelöst werden!“
Dass Philipp der Schöne tatsächlich Gerechtigkeit ausüben könnte in Okzitanien glaubte nach diesem unbefriedigendem Kompromiss bald keiner mehr. Dennoch wollte man in Carcassonne alles daran setzen, ihn gnädig zu stimmen. Elias Patrice berief nach seiner Rückkehr sofort eine außerordentliche Versammlung des Senats ein, um Bericht zu erstatten. Danach legte man gemeinsam mit dem Seneschall die Vorverhandlungen für des Königs Besuch fest, damit man auch wirklich bestens vorbereitet wäre.
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Ein Häuflein Seelen birgt sich rechts im Grund;
Dahin will ich dich führen, steht dirs an …
Dante, Die Göttliche Komödie
Erneut war der Winter in Carcassonne eingefallen. Rixende hatte geahnt, dass er hart würde – denn die Winter der letzten Jahre waren allesamt streng gewesen -, aber auch, dass es der letzte sein würde, den sie in dieser Stadt verbrachte. Auch Fulco, der nach der überstandenen schweren Krankheit die Verbindung zu der Frau seines Lebens nicht mehr hatte abreißen lassen, traf erste Vorbereitungen, das Kloster zu Avignon zu verlassen. Den Liebenden standen zwei treue Seelen zur Seite: Bruder Angelo und Benete, die nichts voneinander wussten, doch beide mit feinem Gespür ahnten, dass die Liebe, die Fulco und Rixende verband, etwas Besonderes war. Ohne Angelo wäre es Fulco nicht möglich gewesen, sein neues Leben zu planen, und ohne Benetes Schwester Rosalie, die die Frau des Bayle von Auriac war, hätten sie keine Möglichkeit gehabt, miteinander allein zu sein. In Auriac kannte sie keiner. Sich wie zuvor in Carcassonne zu treffen war nach dem Vorfall mit dem Spielmann vollends unmöglich geworden. Man hätte die beiden wohl gesteinigt, wenn man sie zusammen erwischt hätte.
Rixende hatte die Zeit bis zum Eintreffen des Königs fleißig genutzt, ihren tüchtigen Verwaltern in Marseille, Agde und Cotllioure die Läger endgültig überschrieben und ihnen alle Rechte daran überlassen. Johan Silvius aus Marseille würde ihre Gesellen aufnehmen, wie versprochen. Von all diesen Veränderungen hatte bislang niemand in Carcassonne etwas mitbekommen. Allerdings hatte Rixende zur Beurkundung der Überschreibungen Mâitre Peyre-Barthe aufsuchen müssen, den ersten Notar der Stadt Carcassonne.
Der jedoch hatte sie angesehen, als wäre sie völlig verrückt geworden.
„Verehrte Frau Fabri, auf ein Wort“, hatte er altväterlich gemeint, nachdem er ihre Verfügungen studiert hatte.
„Ja?“ Rixende sah ihn aufmerksam an. „Stimmt etwas nicht?“
„Ich muss Euch darauf aufmerksam machen … Also, soweit ich unterrichtet bin, äh … hat der König bestimmt … dass, äh … Eure Geschäfte nicht aufgelöst werden dürften, bis er über den Fall Castel Fabri Recht gesprochen hat. Dies ist noch nicht
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