Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
einer ungläubig, das heißt nicht als Christ“, sagte Nogaret zu dem Dominikaner, „so hat auch der Herr nicht das Recht, über ihn den Stab zu brechen, denn wo ist seine Schuld, wenn es auf Erden niemanden gab, ihn das Christentum zu lehren.“
Imbert räusperte sich nervös und warf zum wiederholten Male einen verstohlenen Blick auf Philipp, der noch kein einziges Wort zu dieser Streitfrage von sich gegeben hatte.
„In Gottes Reich geht niemand ein, der nicht zuvor geglaubt an Jesus Christus. Das steht geschrieben“, meinte er überheblich und strich sich über seine Tonsur.
„Ach“, hielt ihm Nogaret verächtlich entgegen „es steht viel geschrieben, Bruder Imbert. Auch gibt es etliche, die am Jüngsten Tag rufen werden ´Christe, Christe` und werden doch im Gericht ihm ferner stehen, als der ungläubige Mohr, der nie etwas von ihm gehört hat.“
„Nun, Wir wollen jetzt diesen wenig fruchtbaren Disput beenden mit einem Spruch, dem niemand etwas entgegenzuhalten weiß, der jedoch alle Welt und hoffentlich auch Euch beiden Streithähne versöhnt: Gottes Gerechtigkeit ist groß!“ Mit diesen Worten hob der König in einer edlen Geste sein schönes Gesicht zum Himmel, wobei es im Abendrot aufleuchtete.
Die beiden Kontrahenten stimmten zu – was hätte es daran auch auszusetzen gegeben.
Als des Königs Beichtvater sich verabschiedet hatte, um sich auf die Abendmesse vorzubereiten, atmete Nogaret erleichtert auf.
„Sire, es gibt noch einiges zu klären, wegen der Sache mit Anagni. Kann ich Euch nach der Messe unter vier Augen sprechen?“
Der König nickte wohlwollend. „Ihr findet Uns am gleichen Ort wie jetzt.“
„Im Dunkeln wollt Ihr mit mir reden, Sire? Hier, in Eurem Labyrinth?“
„Wir sind inzwischen misstrauisch gegenüber jedermann“, sagte der König leise.
Zwei Stunden später schlenderte Nogaret zum zweiten Mal an diesem Tag – dieses Mal im Mondschein - unauffällig in das Labyrinth. Er erschrak nicht schlecht, als ihn plötzlich völlig lautlos des Königs Hunde ansprangen. Nur mit Mühe konnte Philipp sie zurückhalten. Dann jedoch, als sie Nogaret erkannt hatten, legten sie sich ruhig zu des Königs Füßen nieder. Nur an der ständigen Bewegung ihrer Ohren konnte man ihre Wachsamkeit erkennen. Jeder, der sich in die Nähe ihres Herrn schlich, sei es nun ein Spion und oder nur ein Speichellecker, würde von ihnen gestellt werden.
„Bonifatius will also mit einer apostolischen Konstitution eine Entscheidung erzwingen“, begann Philipp.
„Nun, nach den schweren Beschuldigungen - Ketzerei, Simonie und Ursurpation -, die unsere Legisten gegen ihn vorgebracht haben, war damit zu rechnen. Die Bulle, die er gegen Euch, Sire, vorbereitet, bedeutet jedoch ein Interdikt gegen ganz Frankreich. Am achten September, dem Fest Mariæ Geburt, sollen Eure Hoheit durch einen Anschlag an die Türen der Kathedrale in Anagni rechtsgültig gebannt und Eure Untertanen von allen eidlichen Treupflichten entbunden werden.“
„Faktisch heißt das, Bonifatius will Uns absetzen.“
„Ja, das bedeutet es wohl. Die Zeiten, wo er sich ´gallicus` - Franzosenfreund - nannte, sind endgültig vorbei.“ Nogaret räusperte sich verhalten und warf einen kurzen Blick auf Philipp. Der König zeigte keine Regung. Er sah unentwegt auf seine Hunde hinab, die noch immer brav wie Lämmer zu seinen Füßen lagen.
„So, am Fest Mariæ Geburt also … Wisst Ihr, mein lieber Nogaret, dass der Name Maria, welcher der Gottesmutter erteilt wurde, weder auf Erden erfunden ward, noch von Menschen gegeben oder erwählt?“
„Nein, das wusste ich nicht.“ Aufmerksam sah jetzt Nogaret auf den König. Diese frömmlerischen Anwandungen schienen ihn in letzter Zeit immer häufiger zu überkommen.
„Er kam direkt vom Himmel herab. Die Königin will erfahren haben, dass der Name vom Herrn selbst ausgesucht wurde. Sie sagt, sie habe gelesen, dass die Teufel eine so große Furcht vor diesem Namen haben sollen, dass sie, wenn sie nur jemanden ´Maria` flüstern hören, fliehen wie vor einem verzehrenden Feuer.“
„Verzeiht, Sire, aber das kann ich mir nicht so recht vorstellen“, sagte Nogaret vorsichtig. „Zum einen fühlen sich die Teufel bekanntlich im Feuer wohl, zum anderen leitet sich, wie ich erfahren habe, der Name Maria vom hebräischen Mirjam ab. Ob die Teufel das nicht wissen?“
„Ach“, der König lächelte und seine Zähne blitzten, „Uns ist es gleich, Maria oder Mirjam, doch der Königin ...
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