Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Albi sollten offenbar auch hier die Köpfe rollen.
„Was heißt hier ´Köpfe rollen`, die Scheiterhaufen werden lodern“, hatte Eleazar Bernard ins Plenum gerufen, „Gott steh uns bei, Abbéville plant ein Feuer vor der Kathedrale!“
„Ja, das habe ich auch gehört!“ Petrus von Vaisette raufte sich die grauen Haare, so aufgeregt war er. „Garric soll brennen, der junge, meine ich, der alte ist ja bereits im Loch gestorben, obendrein Calveries, Faucon, Isambert, Salavert und noch zehn andere aus Albi! Der Kerkermeister ist mein Schwager, er hat es meiner Frau im Vertrauen erzählt!“
„Guter Gott! Wir müssen diesem Treiben Einhalt gebieten! Doch wie? Seit Saint-Georges in der Stadt ist, der vorgibt, christlicher als Christus selbst sein zu wollen und zugleich unseren Weibern schöne Augen macht, geht hier alles drunter und drüber.“
Da meldete sich Jean Poux zu Wort, einer der jüngeren Konsuln und Sprecher der Weinhändler. Leider fing er immer zu stottern an, wenn er sich über etwas empörte, und so konnte jedermann feststellen, dass er an diesem Tag ziemlich aufgeregt war.
„Wa…was ist mit seiner Hei…heiligkeit Jean de Chevry? Kh…kh…kann unser Bi… Bi…Bischof denn nichts tun, o...o...oder der Bi…Bischof von A…Albi?“
„Pah, Chevry ist fast taub, der legt sich nicht mit der Inquisition an. Und Castaignet? Mein lieber Freund Poux, ich will nicht deutlicher werden, aber wir wissen doch alle, wer hinter der Verhaftung der Männer aus Albi steckt. Allenfalls könnte ich mir vorstellen, dass Bernhard Délicieux uns helfen könnte, mit seinen Franziskanern ...“, antwortete ihm Patrice.
„Ihr schlagt allen Ernstes Bernhard Délicieux als Mittler vor, Patrice? Niemals! Das Gegenteil wird eintreten. Wenn Abbéville den Franziskaner nur von weitem sieht, kennt seine Wut keine Grenzen!“ Eleazar hatte so laut geschrien, dass Aimeric ihn zur Ordnung rufen musste.
Da machte Elias Patrice einen – wie es sich herausstellen sollte – folgenschweren Vorschlag:
„Nun gut, vielleicht hast du recht. Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Bonifatius hat ein Jubeljahr ausgerufen. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wird in Rom ein besonderer Ablass erteilt. Wir sollten umgehend eine offizielle Abordnung nach Rom schicken – und Aimeric Fabri muss sie führen!“
Als Rixende davon erfuhr, erschrak sie aus mehr als einem Grund. Zwar wusste sie, dass jede große Reise unter dem Stern des Ungewissen stand, doch musste die Abordnung ausgerechnet zu einer Jahreszeit fahren, in der Winterstürme zu befürchten waren? Da war es geradezu nebensächlich, dass sie gerade anfing, sich an ihren Mann zu gewöhnen. Zu lieben ... nein, Liebe war es wohl noch immer nicht, was sie mit Aimeric verband. Eher ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl, ein tiefes Vertrauen in seine Verlässlichkeit, ein sich Wohlfühlen in seiner Nähe. Die Angst, zu niemandem zu gehören und letztlich völlig allein auf der Welt zu sein, trug Rixende seit der bitteren Erfahrung in ihrer Kindheit noch immer mit sich herum.
Jeglichen Gedanken an den „anderen“, wie sie ihn insgeheim nannte, an Fulco von Saint-Georges, hatte sie daher seit Mengardes Warnung aus ihrem Kopf zu verbannen gesucht. Und sie wusste jetzt, dass dieser Mann der Feind schlechthin war, schließlich gehörte er der gleichen Macht an, die ihre Eltern auf dem Gewissen hatte. Nun bedrohte sie die Stadt Carcassonne und somit auch das Haus Fabri. Ihr Haus, ihre neue Heimat! Wie hatte sie es in ihrer Hochzeitsnacht überhaupt zulassen können, dass dieser Mann sich auch noch heimlich in ihr Brautgemach schlich, wo er zuvor schon frech im Festsaal aufgetaucht war?
Allen guten Vorsätzen zum Trotz konnte Rixende es dennoch nicht verhindern, dass sie Sonntag für Sonntag mit klopfendem Herzen und feuchten Händen zur Messe ging. Die Ungewissheit, ob er erscheinen würde oder nicht, beunruhigte die junge Frau ebenso stark, wie es sie erleichterte, wenn er sich nicht unter den Mönchen befand. Einmal hatte Aimeric nach dem Wandbehang mit dem Einhorn gefragt. Doch Rixende hatte gemeint: „Er gefällt mir nicht. Deswegen habe ich ihn gar nicht erst aufhängen lassen. Der Teppich sagt mir nicht zu und dieser dunkle Mönch erst recht nicht.“
Aimeric hatte sie in den Arm genommen, sie zärtlich angesehen und etwas mysteriös gesagt: „Welch ein Glück ich hatte, eine solche Frau zu bekommen!“
Da war Rixende die Röte ins Gesicht geschossen.
Und nun diese Reise.
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