Riyala - Tochter der Edelsteinwelt 2: Der dunkel glitzernde Weg: Fantasy (German Edition)
Kampf- und Schmerzensschreie, Waffenlärm und das Trampeln schwerer Schuhe, übertönt von Befehlen.
War sie bereits so lange hier drin, oder hatte Nigel seinen Angriff früher angesetzt als geplant? In jedem Fall war das Heer der Stadt darauf vorbereitet – für das aufständische Landvolk gab es keinerlei Überraschungsvorteil mehr.
Riyalas Herz schlug wie ein Schmiedehammer. Sie musste hier raus, sie MUSSTE Nigel sehen, ihn um Verzeihung bitten, ihm sagen, dass sie ihn liebte ...! Alle ihre Rachegedanken ihm gegenüber waren ertrunken im Strom ihrer bitteren Tränen. Nichts war ihr noch wichtig außer einem Wiedersehen mit dem Geliebten, mochte es auch das letzte sein ...
Urplötzlich kamen Klarheit und Ruhe über sie. Ihre vier Edelsteine ... Oh ja, sie konnte das Falken-Auge nicht zum
Reisen
benutzen. Dafür hatte ihr alter Lehrmeister gesorgt.
Doch weshalb hatte er nicht auch zugestimmt, ihr sämtliche Steine einfach abzunehmen? Er hatte zwar ebenfalls veranlasst, dass man sie auf diese Weise ankettete, so dass sie keinen der vier Steine berühren konnte, aber ...
Auf einmal dachte sie ohne Hass an den seltsamen alten Mann, der sie verraten hatte. Sie erinnerte sich, wie er einmal zu ihr sagte: „Vieles kann verhindert, eingekerkert, in Bande gelegt werden – nicht aber die höhere Kraft in uns. Sie wird immer frei sein.“
Ich folge dieser Wahrheit,
dachte sie und wurde noch ruhiger ... ihr Geist wanderte zu jenem stillen, mystischen „Ort der Energie“, der für jeden Menschen anders aussah. Für sie war es ein kleiner saphirblauer See, der von funkelnden Edelsteinen umgeben war – wie die Fassung eines Perlenringes. Aus dem klaren Wasser dieses imaginären Teiches konnte sie so viel kostbares Nass schöpfen, wie sie wollte.
Dann stellte sie sich so intensiv wie möglich – mit geschlossenen Augen – das Edelsteinkästchen in ihrer Jackentasche vor. In Gedanken öffnete sie es und berührte das Falken-Auge, hob es empor ...
Sie spürte, wie sich eine ganz neue, andersartige Kraft in ihr entfaltete – ja, sie
konnte
zaubern, trotz der Fesseln! Und wie zur Ermutigung hörte sie plötzlich den rauen, sehnsuchtsvollen Ruf ihres Falken. Er klang so nah, als ob er über dem Schwarzen Turm kreiste und genau wüsste, dass seine Herrin hier gefangen saß.
Lächelnd öffnete Riyala ihre Augen – und sah den goldenen Stein mit dem schwarzen Fleck direkt vor sich in der Luft schweben.
Habe wirklich ich das vollbracht?,
dachte sie staunend.
Der Kristall zitterte leicht, wie eine Flaumfeder im Wind.
Ja, das ist meine Kraft!
Sie versuchte ihn allein durch ihre Gedanken näher heranzuziehen ... und auch das gelang. Er bewegte sich.
In diesem magischen Moment kam ihr die Erleuchtung, einem Geistesblitz gleich: Sie wusste jetzt, welchen verborgenen Zauber der Stein neben der Reisemagie noch in sich trug.
Ein weiterer Gedanke genügte, und sie umschloss das Falken-Auge mit ihrer linken Hand. Sofort spürte sie die Ketten nicht mehr ... prickelnde Energieströme erfüllten ihr ganzes Sein, und ihr Geist war frei.
Ihr Körper hing nach wie vor in Fesseln an der schwarzen Zellenwand, aber Riyala schoss durch die Turmwand hindurch, fand ihren Falken, schlüpfte in ihn hinein und flog jetzt mit ihm durch die Luft, wie sie es sich so oft erträumt hatte; sie war in ihm, sah durch seine Augen und fühlte sich ihm und seiner fremdartigen Falkenseele ganz nah.
Das Schlachtfeld vor den Toren der Stadt! Der Kampf war bereits in vollem Gange. Wenn es überhaupt Verhandlungen zwischen dem Heros und dem Bauernführer gegeben hatte, so waren sie rasch gescheitert.
Bei der Großen Göttin – wie hatte Nigel es nur geschafft, so viele Bauern um sich zu scharen?! Es mussten Zehntausende sein, eine einzige Flut von brüllenden Menschen, die zu allem entschlossen war. Ausgemergelte Leiber, aber zäh und vom Rausch des Angriffs beflügelt. Viele Männer waren nur mit Holzlatten oder Steinen bewaffnet, aber alle folgten dem jungen Bauernsohn, der zugleich ein Krieger war.
Mit den scharfen Raubvogelaugen machte Riyala seine schlanke Gestalt und seinen wild flatternden Haarschopf rasch aus und kreiste über ihm. Es bereitete ihrem Geist gar keine Mühe, ihren Falken zu lenken.
An Nigels Seite aber sah sie Sandirilia, wie eine Kriegerin gekleidet und mit Schwert und Schild bewaffnet. Sie schien die einzige Frau weit und breit zu sein; mit den geschärften Sinnen ihres Falken nahm Riyala wahr, dass ihr ein ähnlicher
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