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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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drin?«, fragte ich.
    Ein lahmer Witz und sie ignorierte ihn dementsprechend.
    »Ich habe letzte Woche deine Mum gesehen. Sie hat uns besucht.«
    Orla leckte einen Finger mit schwarz lackiertem Nagel an und blätterte ostentativ eine Seite um.
    »Ich habe versucht, mit Allie zu reden«, fuhr ich fort.
    Orla klappte ihr Buch zu, ließ aber den Finger an der Stelle stecken, die sie gerade gelesen hatte. »Was willst du, Herr Botschafter? Eine Schachtel Ferrero-Küsschen?«
    Ich sah auf das Buch, in dem ihr Finger steckte, denn ich konnte ja schlecht sagen: Nein, ich hatte da eher an Sex gedacht.
    »Verpiss dich, Nick«, verlangte sie, als könne sie meine Gedanken lesen. Allerdings sagte sie auch nicht »Verpissen«.
    Ich ging, weil ich sowieso nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Noch bevor ich mich umdrehte, hatte sie ihr Buch wieder aufgeschlagen und richtete den Blick ungefähr auf die Mitte, in den Bund. Ich wusste genau, dass sie nicht las. Doch ich konnte nichts machen, also kletterte ich die Böschung wieder hinauf, die sich anfühlte wie die letzte Etappe zum K2.
    Auf dem Gipfel erwartete mich ein selbstzufrieden grinsender Sherpa.
    »Du machst das ganz falsch«, verkündete Shuggie und lief neben mir her.
    Ich holte schon tief Luft, um ihm dasselbe zu raten, was Orla mir empfohlen hatte, doch stattdessen stieß ich nur hervor: »Was?«
    »Ich habe gesagt, du …«
    »Ja, halt die Klappe. Was weißt denn du schon davon?«
    »Na ja«, meinte Shuggie, »die ist ja nicht blöd, diese Orla.«
    Ich fragte mich, wie hart ich ihn schlagen konnte, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Und ob ich ihn vorher seine Brille abnehmen lassen sollte. »Was soll das denn heißen?«
    Shuggie seufzte, als ob er mit seiner Geduld am Ende sei. »Frauen wollen, dass man ehrlich ist, oder? Orla glaubt, dass du ihr etwas vormachst.«
    Da Orla den einzig vernünftigen, ruhigen und abgeschiedenen Platz im Umkreis einer Meile von der Schule okkupierte, musste ich mich am Zaun auf dem rauen Asphalt niederlassen. Außerdem musste ich noch Shuggie ertragen, da er sich direkt neben mich setzte.

    »Ehrlichkeit«, erklärte er. »Das ist es, was Frauen wollen. Ehrlichkeit.«
    »Und da bist du der Experte.«
    »Wohl eher als du, offensichtlich.« Er nahm die Brille ab und begann, sie an seinem Hemd zu polieren. Es war eine ziemliche Versuchung. Jetzt hätte ich ausholen und ihm ins nackte Gesicht schlagen können, aber ich wusste, dass ich das nie tun würde. Nicht bei Shuggie. Ich würde es nie fertigbringen, Shuggie zu schlagen. Irgendwie war ich für ihn verantwortlich, irgendwie hatte ich rein zufällig die Verantwortung für ihn übernommen und, wie er es selbst gern ausdrückte, hatte ihn jetzt am Hals. Auf eine gewisse Art und Weise war ich sein einziger Freund. Was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte.
    Ich sah ihm zu, wie er methodisch die Brillengläser rieb, eines nach dem anderen, und sie auf eine merkwürdig sorgfältige Art und Weise anhauchte, die mich eigentlich hätte auf die Palme bringen müssen, die ich aber irgendwie seltsam beruhigend fand. Mir gefiel es, dass er so lächerlich viel Zeit und Sorgfalt darauf verwendete, obwohl sein Billighemd die Gläser eigentlich sowieso nur zerkratzte. Mir gefiel es, dass Shuggie uns anderen immer noch ähnlich genug war, um sein Brillenputztuch zu verlieren und stattdessen sein Hemd benutzen zu müssen. Beim Blick in sein ernsthaftes Gesicht, nackt und lustig und verletzlich ohne die große Hornbrille, ertappte ich mich dabei, dass ich lächelte und mich zu einem finsteren Gesichtsausdruck zwingen musste.
    Ich weiß auch nicht, warum ich ihn ertrug. Immer dann, wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte, tauchte er wie
ein Guru mit seinen weisen Ratschlägen auf. Aber wenn ich etwas von ihm wissen wollte, zum Beispiel, wo Allie war, dann war er der unauffindbarste Streber auf der Welt. Gewöhnlich konnte ich durch die Gegend stolzieren und Leute wie Sunil so finster anstarren, dass niemand sich vorstellen konnte, mich noch einmal anzugreifen – und dann plötzlich spürte ich jemanden, und da war Shuggie mit einem Buch über Raketentechnik oder String-Theorie oder weiß Gott was. Dann klebte er den Rest des Tages an mir wie eine Klette. Das tat meinem Image gar nicht gut. Er war wie ein kleiner Planet, der unweigerlich in meine Umlaufbahn gezogen wurde. Warum funktionierte das nicht mit Orla Mahon?
    Ich wünschte, ich könnte Lola Nan fragen. Ich wünschte, ich hätte früher, als sie noch

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