Robbers: Thriller (German Edition)
Lichter erkennen. Die letzten Regenwolken waren inzwischen landeinwärts gezogen.
»Hör mal«, sagte er, »weißt du eigentlich, was Ledoux bedeutet? Auf Cajun-Französisch, mein ich?«
Bubba Bear hielt inne, in den Händen einen Krebs, dessen hellblauer, ovaler Panzer voller Soße klebte. Er zuckte mit den Schultern. »Soweit ich weiß, ist das ein Name. Könnte ›zwei‹ bedeuten, oder ›süß‹. Aber ich bin kein Linguist. Ich weiß nur eins: Wenn du auf die Welt kommst, verpassen sie dir einen Namen und sagen, ›Auf geht’s, Junge, jetzt liegt’s an dir, viel Glück, bleib sauber und halt die Augen auf, wenn du über die Straße gehst. Und lass die Finger von den Drogen.‹«
Der massige Mann nahm einen großen Schluck Malzbier und gab einen Rülpser von sich, während er einen Träger seiner Latzhose zurechtzog. »Tja, auf jeden Fall kann ich dir sagen, was Bubba Bear bedeutet, denn den Namen hab ich mir selbst verpasst. Irgendwann erzähl ich dir, wie’s dazu kam. Damals in Haight-Ashbury, auf einem LSD-Trip während eines Santana-Konzerts im Golden Gate Park. Da gibt’s nämlich eine Geschichte dazu. Wie zu Rufus Slim. Ich wette, mit dem Namen hat es ebenfalls etwas auf sich, hab ich recht?«
»Absolut«, sagte Eddie und nickte zaghaft. Er fummelte an seinem Ohrring herum. Mann, er hatte keine Ahnung, der Name war ihm spontan eingefallen.
»Genau, das will ich damit sagen. Ein Name hat immer eine Bedeutung, wenn man die Einzelheiten kennt. Aber wofür steht Ledoux? Oder Guidroz? Sie bedeuten absolut gar nichts, denn das sind amerikanisierte Namen. In Pulp Fiction gibt’s einen Dialog darüber, zwischen dem Boxer, der von Bruce Willis gespielt wird, und der Taxifahrerin. Klasse Streifen, mal gesehen?«
Eddie schüttelte den Kopf und meinte, er kenne nicht viele Filme. Eine Unterhaltung mit Bubba Bear war wie ein Gespräch mit seinem Cousin Wade auf Speed, nur noch merkwürdiger. Er war mit seinen Gedanken überall gleichzeitig und stellte seltsame Verbindungen und Querverweise her, wie ein bekifftes Jazz-Riff.
»Vergiss nicht, du bist ein Mann der Tradition«, sagte Bubba Bear, »du bist nicht modern, postmodern oder Avant Pop, vergiss das ganze Klugscheißer-Geschwätz. Die Welt ist so theoretisch geworden, so austauschbar und abstrakt. Das Image ist wichtiger als der Inhalt. Die Leute interessieren sich nicht mehr fürs Wahrhaftige – nicht dass ihnen so was oft über den Weg läuft. Sie haben keinen Zugang zur Natur mehr. Doch du bist anders. Hab ich recht oder nicht?«
Er schätzte schon, meinte Eddie, auf die eine oder andere Weise.
Bubba Bear lachte. »Du bist ein aufgeweckter Bursche, Rufus, du hast diese angeborene natürliche Intelligenz. Weil du mit beiden Beinen auf dem Boden stehst. Den Mississippimatsch zwischen deinen Zehen, dazu dein Bauchgefühl. Du schaust nicht bloß zu, du erschaffst etwas. Ein stattlich Lustschloss meiner Seel’ ich baute, auf immer drin zu wohnen, unbeschwert. Stammt von Tennyson. Ich feiere mich selbst und singe mich selbst. Whitman, ebenfalls ein Mann der Tradition. Was ich damit sagen will, Kumpel, du bist viel zu sehr damit beschäftigt, ein Universum hervorzubringen, als irgendwelchem belanglosen Mist Beachtung zu schenken. Denn du bist ein bodenständiger Typ. Andernfalls lebst du ein Leben aus zweiter Hand, dröhnst dich mit Fernsehen und Popmusik zu, liest das People -Magazin, und deine Seele schrumpft auf die Größe meines linken Eis. Hast du eine Ahnung, wie sich das anfühlt?«
Eddie gab zu, dass er sich nicht sicher sei, jedoch eine ungefähre Vorstellung habe.
»Genau«, schwadronierte Bubba Bear weiter, »ein Konsument. Ein Wirtschaftsfaktor. Jemand, der nur dem Geld verpflichtet ist. Jemand, der innerhalb der Grenzen seiner Verbindlichkeiten lebt, im politischen Dauerexil. Bei dem es nur noch um eins geht: Geld verdienen und wieder ausgeben, Schulden begleichen – ein Leben auf Pump. Jemand, der alles schluckt, was man ihm hinwirft. Mmh, lecker. Müll ist das einzige, was so jemand produziert.«
Bubba Bear fuchtelte mit der Hand. »Weißt du, Rufus, du könntest so ein Jemand sein. Aber das bist du nicht. Du hast das alles verschmäht. Du bist ein Bluesman. Ein Künstler.«
Eddie kratzte sich verwundert am Kinn und lachte verlegen. Das meiste war an ihm vorbeigerauscht, bis auf diese letzte Bemerkung, die Sache mit dem Künstler. Mannomann. Bisher hatte ihn niemand als Künstler bezeichnet, zumindest keine andere Person, niemand,
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