Robbers: Thriller (German Edition)
urteilst schon wieder. Jetzt schau dir das Ganze doch mal genau an; was diesen Religionsquatsch betrifft, sind die Menschen ziemlich inkonsequent. Sie wollen Vergebung, ohne selber zu vergeben. Abgesehen davon warte ich natürlich auf das Arschloch. Vorher kann die Party sowieso nicht starten. Trotzdem muss ich das Bier hier nicht warm werden lassen.«
Er riss den Verschluss ab und nahm einen Schluck. »Als was arbeitet er denn?«
»Als Musiker.«
»Tatsächlich?«
Sie nickte, etwas zuversichtlicher jetzt, während sie daran dachte. »Er hat sich verändert. Er will mit deiner Art zu leben nichts mehr zu tun haben. Warum verschwindest du nicht einfach und lässt uns in Ruhe?«
»Hast du mal’nen Western gesehen?«, fragte Ray Bob. »Das klingt nämlich wie ein Satz aus einem Western. Wenn der Outlaw plötzlich erscheint, um seinen alten Gefährten wiederzutreffen, und dessen Frau sagt, ›Er hat sich verändert. Er will mit deiner Art zu leben nichts mehr zu tun haben. Warum verschwindest du nicht einfach und lässt uns in Ruhe?‹ Und wenn er ein guter Outlaw ist, hat er dafür Verständnis und reitet davon, und er tut einem leid, weil er jetzt wieder ganz auf sich allein gestellt ist. Doch wenn er ein böser Outlaw ist, bleibt er und wartet, spielt mit seinem Revolver herum und jagt der Frau gehörig Angst ein. Du erinnerst dich bestimmt an so eine Szene.«
Sie machte sich nicht die Mühe zu antworten.
»Aber heutzutage«, sagte er, »hält das Publikum so eine Szene für abgedroschen, für ein langweiliges Klischee. Zu wenig Action. Die Leute wollen sehen, wie der Outlaw – inzwischen ist es meist ein Drogendealer oder Psychopath -, sie wollen sehen, wie er die Frau vergewaltigt und seinen Kumpel tötet, wenn der zurückkehrt. Oder noch besser, er wartet auf ihn und vergewaltigt die Frau, während sein Kumpel dabei zuschauen muss, bevor er ihn tötet. Und falls die beiden Kinder haben, bringt er sie wahrscheinlich ebenfalls um. Alles ist voller Blut und gekrümmter Körper, superbrutal das Ganze, dazu das markerschütternde Geschrei und laute Keuchen, und alles in Großaufnahme, die Wut und die Angst. Weil sich das Publikum sonst langweilt, weißt du, was ich meine?«
Für eine Weile sagte keiner der beiden etwas; Della lauschte der Brandung, die sich unten am Strand brach, und den Fröschen im Sumpf, bis Randy im Schlaf schnaubte und sich herumrollte. Plötzlich stand Ray Bob auf. »Da fällt mir ein, dass ich unten was habe, das ich besser raufbringen sollte, bevor es meinen ganzen Truck vollpinkelt.« Dann verschwand er und stapfte die Stufen hinunter.
Sobald die Schritte verstummt waren, sprang Della vom Bett und fing an, keuchend Eddies Seesack zu durchwühlen; sie stöberte darin herum, bis sie sie schließlich gefunden hatte. Sie zerrte sie heraus und betrachtete sie in der Hoffnung, dass sie leicht zu bedienen war. Dann lief sie zur Fernsehecke und schaltete die Deckenbeleuchtung an. Sie postierte sich etwa einen Meter hinter dem Fernsehsessel und wartete dort, die ausgestreckten Arme mit der Pistole auf den oberen Treppenabsatz gerichtet.
Als Ray Bob zurückkehrte, trug er einen Welpen auf dem Arm, und für einen Moment kam ihr das unglaublich gespenstisch vor, denn ihr fiel Randys Wunsch wieder ein und die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, voller Sorge, er könnte deswegen schlecht gelaunt aufwachen – ihr war klar, dass ein derartiger Zufall etwas zu bedeuten hatte, wenn sie auch nicht wusste, was. Tatsächlich kam ihr das so gespenstisch vor, dass sie die Arme ein wenig sinken ließ, bevor sie sich wieder fasste, sie hochnahm und, den Finger am Abzug, erneut anlegte.
Ray Bob blieb stehen, während er den Welpen hin und her wiegte und sie dabei musterte. »Schau, was ich hier habe«, sagte er, als würde er die Pistole gar nicht bemerken.
»Du setzt dich jetzt da drüben auf die Couch, Freundchen,«, sagte sie, »und dann werden wir auf Eddie warten.« Dabei deutete sie mit den ausgestreckten Armen und der Pistole in besagte Richtung.
Er trottete an ihr vorbei und setzte sich mit dem Welpen im Arm hin, lehnte sich gegen das Polster und schlug grinsend die Beinen übereinander.
»Was hab ich dir gesagt?«, meinte er. »Dacht ich mir doch, dass du den Film gesehen hast.«
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I n der verqualmten Bar des Stingaree herrschte reges Treiben, ja, Rufus war ganz in seinem Element. Seine Gibson hatte einen vollen, perfekten Klang, während er mit der linken Hand den Bund rauf- und
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