Robbers: Thriller (German Edition)
»Mein alter Herr ist an Krebs gestorben. Ist geschrumpft wie ein Regenwurm auf einem heißen Bürgersteig. Er war zwar nicht groß, aber kräftig, und diese chemische Scheiße hat ihn in null Komma nichts aufgefressen. Als es erst mal angefangen hatte, ging es schnell. Zuerst im Darm. Er sagte, er kann fühlen, wie er aufgefressen wird. Als wären Ratten drin.«
Ray Bob ließ den Wagen ein Stück in der Schlange vorrollen. Eddie zündete sich eine Zigarette an. »Dicke hungrige Ratten.«
Er wandte sich zu Della um. »Willst du wirklich keinen Burger?«
»Nein danke. Mir ist der Appetit vergangen.«
»Gut«, meinte Eddie. »Sag Bescheid, wenn er wiederkommt.«
Schließlich kehrten sie auf den Highway zurück und folgten ihm bis zu der Stelle, wo er in den I-45 Richtung Galveston mündete. Ein kurzes Stück weiter wurde der Interstate bereits von Pfeilern getragen, hinweg über Bayous und von den Gezeiten geschaffene Sümpfe. Unter dem hellen, transparenten Himmel wichen diese kobaltblauen Sümpfe nach und nach auf beiden Seiten zurück. Auch wenn sie es nicht sehen konnten, merkten sie an der Art, wie sich das Licht veränderte, dass sie jetzt über offenes Wasser fuhren. Dann neigte sich die Straße aufwärts, und sie konnten erkennen, wie das Wasser an die Landspitze herandrängte, die sie gerade verließen. Noch eine Steigung, und schon überquerten sie die West Galveston Bay auf einem ebenfalls von Pfeilern gestützten Damm. Sie verdrehten die Hälse, um einen rauchspeienden Öltanker beobachten zu können. Er pflügte sich die Küste hinauf durch die Bucht und den Intracoastal Canal, einen unter der Wasseroberfläche verborgenen ausgebaggerten Schifffahrtsweg. Ihre Nasen waren vom Geruch des Salzwassers erfüllt, ihre Ohren von den scharfen Schreien der Möwen, die über den blaugrauen Wellen ihre Kreise zogen.
Eddie starrte auf die weiten Ausläufer der Bucht im Osten und Westen und auf das schmale Band der Straße, das sich der breiten, unregelmäßigen Skyline von Galveston entgegenstreckte. Langsam schüttelte er den Kopf. »Das gefällt mir nicht. Es gibt außer diesem nur einen einzigen anderen Weg von der Insel.«
»Zwei«, sagte Ray Bob. »Am anderen Ende gibt es noch eine Fähre, in der Richtung, in die wir fahren.«
»Gut, also zwei. Gefällt mir immer noch nicht. Das ist eine Falle.«
»Drei«, sagte Ray Bob und grinste. »Wir könnten schwimmen.«
»Viel Glück. Die Sümpfe sind voll mit Alligatoren. Hast du es jemals mit einem Mississippi-Alligator aufgenommen?«
»Nee, klingt ziemlich spaßig. Erzähl mir davon.«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Aber ich hab mal einen aufgeschnittenen Alligator gesehen, der ein Kind verschluckt hatte. Der Junge war komplett da drin. Oder das, was von ihm übrig war. Ein paar Knochenstücke und so, ein Teil von einem Bein. Zusammen mit einem großen Sumpfbiber, einem Winkeleisen und einer halben Krabbenfalle.«
»Winkeleisen«, sagte Ray Bob. »Das ist nichts Besonderes, oder?«
»Sie fressen dich auf, das will ich damit sagen. Erinner mich daran, dass ich dir diesen Witz erzähle. Über einen Alligator mit einem lockeren Zahn und eine Prostituierte.«
Eddie spürte eine Hand auf der Schulter und drehte sich um. »Wenn ihr irgendwo Toiletten seht, dann haltet an«, sagte Della.
Sie erreichten das Ende des Damms, der sie in einer Kurve auf die Insel führte. Der Highway endete hier und ging in den hiesigen Broadway über, eine breite Strandpromenade, die von Palmen gesäumt wurde. Trostlose Geschäftsfassaden neben unkrautbewachsenen Parkplätzen und zweistöckigen Wohnhäusern aus Holz. Häuser für alte Damen. Mit Schnörkeln und Verzierungen im Stil des French Quarter, denen die erbarmungslosen Golfwinde zugesetzt hatten. Fenster und Türen, die dank der Schwerkraft – oder der Stürme – schief in ihren Angeln hingen. Von ihren Eigentümern vernachlässigt oder einfach von der Zeit selbst angenagt, ragten diese Häuser träge und schief aus dem sandigen Boden, waren aber durch einen unergründlichen Akt der Widerstandskraft noch nicht zusammengebrochen.
Eddie betrachtete die Häuser im Vorbeifahren. »Ziemlich alt«, sagte er.
Della wies mit dem Finger auf ein McDonald’s. »Da gibt es eine Toilette.«
Ray Bob bog in die Einfahrt und suchte einen Parkplatz mit Bedienung im mächtigen Schatten einer Lebenseiche, die sich wie ein Korkenzieher in den Boden wand. Della schlüpfte in ihre hochhackigen roten Pumps und stieg aus. Als sie den
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