Robbers: Thriller (German Edition)
halbwüchsigen Jungen in die Augen zu schießen. Auch Verbrechenstouren durch Texas seien nicht ihr Ding.
Da sei er gar nicht so sicher, hatte er lachend erwidert.
Eddie hatte einfach dagesessen und kein Wort zu ihrer Verteidigung gesagt.
Sie stellte einen roten Plastikteller in das Abtropfgestell und ließ ihren Blick zur Uhr hinüberschweifen, die schief an einem auffälligen großen Nagel über dem Kühlschrank hing. Langsam ging es auf zehn zu. Wenn die Nachrichten nichts über Mister Traumschiff brachten, würde sie morgen eine Zeitung kaufen. Allerdings sollte man eigentlich erwarten, dass sie es im Fernsehen meldeten, so wie die Nachrichten dort aufzogen wurden. Außer Morden und tödlichen Unfällen gab es so gut wie gar keine Nachrichten. Und schließlich war er Mister Top-500 gewesen, also was ganz Besonderes. Jedenfalls hatte er sich selbst für was Besonderes gehalten.
Vielleicht hatte er auch gelogen.
Bei diesem Gedanken entspannte sie sich für einen Moment. Diese Idee war ihr bisher noch gar nicht gekommen. Aber so wie der Typ gekleidet gewesen war, so wie er sich benommen hatte, musste er einfach wichtig sein. Er war jemand. Und sobald man ihn dann nackt im Bett mit einem Messer in der Brust fand … Wenn das keine Nachricht war, was dann? Wenn man den stellvertretenden Geschäftsführer eines Taco Bell so auffände, wäre das sicher Stoff für die Nachrichten. Kameras überall, als hätte jemand auf den Präsidenten geschossen.
Sie wünschte, sie hätte sich eine Zeitung gekauft. Die waren gründlicher und hatten mehr Platz. Der Houston Chronicle war so dick wie ein Versandhauskatalog. Sie hätte unterwegs einen kaufen sollen, aber in der Hetze hatte sie nicht gründlich nachgedacht. Kein Wunder. Als gesuchte Kriminelle fiel es einem nicht so leicht, alles zu bedenken, was man bedenken sollte.
Und als gesuchte Kriminelle musste sie sich wohl betrachten.
Zu allem Überfluss hatte sie sich auch noch mit echten Kriminellen eingelassen, nach denen offenbar überall gefahndet wurde. Jedenfalls nach einem von ihnen. Was Eddie anging, war sie nicht sicher. Ray Bob allerdings brachte nichts als Schwierigkeiten. Schwer vorzustellen, dass ihnen die Polizei nicht dicht auf den Fersen war. Aber die beiden schienen sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Und hier war sie, mittendrin. Eine komische Art, sich möglichst unauffällig zu benehmen. Aus dem Regen schnurstracks in die Traufe. Genauso gut hätte sie ein T-Shirt tragen können, auf dem in großen Buchstaben stand: GESUCHTE KRIMINELLE – HIER BIN ICH!
Fünf vor zehn.
Sie schrubbte den Aluminiumtopf sauber, spülte ihn ab und stellte ihn auf das Abtropfgestell. Ein einsamer Topf. Nicht einmal eine Bratpfanne gab es in dieser Küche. Von LD hatte sie nichts anderes erwartet, aber es wunderte sie, dass Ruby an diesem Zustand nichts geändert hatte. Ein einzelner Topf, in dem sie ein Päckchen Makkaroni mit Käsesoße gekocht hatte. Dann hatte sie den Topf gespült, ein Päckchen Rice-A-Roni mit Hühnergeschmack gekocht, den Topf wieder gespült und schließlich eine Dose Ravioli aufgewärmt. Was für ein Theater. Es hatte praktisch ewig gedauert. Und dann hatte sich Ray Bob darüber aufgeregt, dass die Makkaroni kalt waren. »Koch doch selber, wenn du meinst, du kannst es besser!«, hatte sie erwidert.
»Ich bin keine Frau«, hatte er daraufhin erklärt, als wäre das irgendwie ein Argument. Hundert passende Antworten hatten ihr auf der Zunge gelegen, doch sie hatte sich beherrscht. »Eddie hat’s geschmeckt.«
Natürlich hatte Eddie kein Wort gesagt.
Schnaufend trocknete sie sich die Hände ab, richtete ihre Frisur, ging um den Küchentisch herum und an der Öffnung im Boden, wo die Treppe nach unten führte, vorbei zum Fernseher. Das Haus war eigentlich geräumig, aber nicht durch Wände in verschiedene Räume aufgeteilt wie normale Häuser. Innen gab es keine einzige Wand. In der Mitte kam die Treppe hoch, die auf dem Betonplatz darunter begann. Sie wirkte fast wie eine Kellertreppe und endete hier oben in einem einzigen riesigen Raum. An den Wänden entlang liefen große Fenster mit Fliegengittern und geöffneten Läden. Die Betten standen in den Ecken, so als würde auf diese Art ein Stückchen Privatsphäre geschaffen. Das Ganze wirkte wie ein überdimensioniertes Spielhaus für Kinder. Oder eine Jagdhütte. Das Bad hatte nicht mehr zu bieten als eine Toilettenschüssel und einen rostigen, amateurhaft angeschlossenen Duschkopf, die sich
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