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Robbins, Harold - Träume

Titel: Robbins, Harold - Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Rückzieher.«
    »Das wollte ich hören«, sagte ich und legte auf. Ich blickte zu Denise. »Was tun wir jetzt?«
    »Dir die Haare ausspülen«, sagte sie und streifte sich ein Paar Plastikhandschuhe über.
    Ich ging ins Bad und beugte den Kopf übers Waschbecken. Zweimal wusch sie mir die Haare mit Shampoo durch, und als ich mich schließlich aufrichtete und in den Spiegel blickte, mußte ich zugeben, daß sie recht gehabt hatte.
    Nicht nur meine Mutter würde mich nicht erkennen. Ich erkannte mich nicht einmal selbst.
    Als wir endlich auf dem Feldweg vor dem Farmhaus hielten, war es bereits nach Mitternacht. Nirgends hinter den Fenstern zeigte sich Licht, und alles war sehr still. Ich schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus, blickte zu Denise. »Da scheint alles zu schlafen.«
    »Das macht nichts«, sagte sie und stieg aus. »Die Zimmer für die Gäste sind nicht abgeschlossen.«
    Ich folgte ihr die Stufen zur Veranda hinauf und dann in eine Tür. Das einzige Geräusch war das Knarren der Fußbodenbretter unter unseren Füßen. Ich stieß gegen einen Stuhl.
    »Nimm meine Hand«, sagte sie.
    Es war, als spielten wir Blindekuh. Ich konnte nicht sehen, wohin sie mich führte; sie jedoch schien genau zu wissen, wo sie sich befand. Ich rannte nicht gegen die Wand und fiel nicht mehr über Möbel.
    Wir erreichten die Tür, und sie klopfte leise. »Nur für den Fall, daß schon jemand drin ist«, flüsterte sie.
    Niemand antwortete. Sie öffnete die Tür, ließ mich eintreten, zog die Tür leise hinter uns zu. »Hast du ein Streichholz?« fragte sie.
    Ich zog eine Schachtel hervor, gab sie ihr. Sie riß ein Streichholz an. Rasch sah ich mich im Zimmer um. An der gegenüberliegenden Wand befanden sich ein schmales Bett und eine Kommode, auf der eine Porzellanschüssel und ein Wasserkrug standen. Über der Kommode hing ein Spiegel. An der anderen Wand sah ich ein Holzspind, ganz in der Nähe gab es ein kleines Flügelfenster. Das brennende Streichholz flackerte heftig, erlosch.
    Im Dunkeln hörte ich, wie Denise das Zimmer durchquerte. Sie schien eine Schublade aufzuziehen. Sekunden später riß sie
    wieder ein Streichholz an. Sie nahm eine Kerze aus der Schublade, hielt die Flamme an den Docht. Dann steckte sie die Kerze in einen Kerzenhalter, den sie neben die Waschschüssel auf der Kommode stellte.
    Ich blickte zur Zimmerdecke, an der eine Lampe hing.
    »Warum knipst du nicht einfach das Licht an?« fragte ich.
    »Der Strom schaltet automatisch um neun Uhr ab, um zu sparen. Außerdem ist abends nach neun kaum noch jemand von uns auf. Schließlich beginnt der Arbeitstag für uns auch schon früh um fünf.«
    »Wieviel Leute sind denn hier?«
    »Dreißig, manchmal vierzig. Das kommt drauf an.«
    »Worauf kommt es an?«
    »Ob sie hier sein wollen oder nicht. In der Hauptsache handelt es sich um Jugendliche, die von irgendeiner Sucht loszukommen versuchen.«
    »Drogen.«
    »Und Alkohol.«
    »Was tun sie?«
    »Arbeiten auf der Farm. Beten. Holen sich Rat.«
    »Was baut ihr hier an?«
    »Menschen, sagt Reverend Sam.«
    Ich schwieg einen Augenblick. Dann nickte ich. Vielleicht hatte er recht. Zumindest versuchte man es. Ich zog eine Zigarette hervor, steckte sie an der Kerze an. Als ich mich wieder umdrehte, hatte Denise ihre Schuhe ausgezogen und lag auf dem Bett. »Müde?« fragte ich.
    Sie nickte, sah mich an.
    »Ich auch«, sagte ich und zog mein Jackett aus. »Meinst du, daß wir auf dem schmalen Ding beide Platz haben, ohne daß einer irgendwann rausfällt?«:
    Sie starrte mich an, gab keine Antwort. Wie ein Zittern überlief es sie, und ich sah Tränen in ihren Augen.
    »Was ist denn?« fragte ich. Dann begriff ich: Sie hatte die Pistole gesehen, die in meinem Gürtel steckte. Ich zog die Waffe heraus und legte sie auf die Kommode.
    »Ich habe Angst«, flüsterte Denise, offenbar buchstäblich von Furcht geschüttelt.
    Ich setzte mich auf den Bettrand und zog ihren Kopf an meine Brust. »Es ist vorbei. Du brauchst jetzt keine Angst zu haben.«
    »Die wollten dich umbringen.«
    »Das ist ihnen nicht gelungen.«
    »Man wird es wieder versuchen.«
    »In ein paar Tagen hat Lonergan die Sache bestimmt bereinigt. Dann ist unser Leben wieder normal.«
    Sie sah zu mir auf, betrachtete mein Gesicht. »Hättest du den Mann umgebracht, wenn ich nicht für ihn eingetreten wäre?«
    »Weiß ich nicht. Als ich aus Vietnam zurückkam, war mir jeder Gedanke an Gewalttätigkeit verhaßt. Ich konnte das einfach nicht mehr ertragen.

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