Robbins, Harold - Träume
es passierte. Eine reine Reflexhandlung. Ohne zu überlegen bog ich in die Einfahrtsspur, schaltete runter und trat voll aufs Gaspedal. Der kleine Valiant schoß mit einem Satz vorwärts.
Der Kerl mit der Pistole war der erste, der mich kommen sah. Er hob die Hand mit der Waffe. Während ich wie wild das Lenkrad drehte, erkannte ich deutlich sein verblüfftes Gesicht. Ich erwischte ihn, ihn und seinen Kumpel: Mit der Seitenwand des kleinen Autos erwischte ich beide und nagelte sie gleichsam gegen den Rolls.
Ich fühlte den Aufprall, hörte das Krachen. Dann wurde der Valiant, einem Autoscooter auf einem Rummelplatz ähnlich, ein Stück zurückgeschleudert. Wieder drehte ich wie wild das Lenkrad, manövrierte den Valiant völlig herum, bremste, hielt, sprang heraus.
Die beiden Männer lagen auf dem Boden. Ihre Beine, offenbar gebrochen, wirkten eigentümlich verdreht, wie aus den Gelenken gerenkt. Der mit der Pistole war bewußtlos und lag mit dem Kopf unter dem einen Stoßdämpfer des Rolls. Der andere klammerte sich halb sitzend an der Stoßstange fest. Sein Gesicht war kalkweiß, und er schwitzte vor Schmerz. Seine Pistole lag neben ihm auf dem Boden.
Ich hob sie auf. Im selben Augenblick stieg Denise aus der Limousine. Sie weinte. »Los, ins Auto!« sagte ich zu ihr, bevor sie sprechen konnte.
Sie schien erstarrt zu sein. Ich gab ihr einen harten Stoß. »Alles in Ordnung. Los, ins Auto!«
Noch immer rührte sie sich nicht. Ich beugte mich zu dem Mann. »Für wen arbeitet ihr?«
»Zum Henker mit dir, du verrücktes Schwein!«
Ich entsicherte die Pistole, schoß. Zwischen seinen Beinen schlug die Kugel in den Boden.
»Die nächste kriegst du in die Eier.«
Er preßte die Lippen zusammen.
Ich schob die Mündung der Pistole zwischen seine Oberschenkel. Er schrie fast: »Das weiß ich nicht!«
»Du lügst!« Ich krümmte den rechten Zeigefinger, schien im Begriff abzudrücken.
»Nein!« kreischte er. »Der Auftrag ist von der Ostküste gekommen. Einen Riesen sollen wir kriegen, wenn wir dir eins verpassen.«
Ich starrte ihm ins Gesicht. Einen Mann, der lügt, wenn man ihm eine Pistole gegen die Eier drückt, den gibt es wohl nicht. »Johnny wollte dir gleich eins verpassen, als du auf den Parkplatz kamst. Aber ich hab zu ihm gesagt: >Warte!<«
»Das stimmt, Gareth«, sagte Denise plötzlich. »Ich hab’s gehört.«
»Steig ins Auto«, befahl ich wieder, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
»Ich hab dir das Leben gerettet«, sagte er schrill. »Und ihr auch.«
Ich richtete mich auf, sicherte die Pistole. »Ich schick dir ein Dankschreiben«, versicherte ich.
Dann nahm ich Denise beim Arm und schob sie zum Valiant. Die Türen auf der Beifahrerseite waren völlig eingedrückt. Daher bugsierte ich Denise am Lenkrad vorbei und stieg hinter ihr ein. Im Krankenhaus schien inzwischen Alarm geschlagen worden zu sein. Den Krach des Zusammenpralls hätten wohl auch nur Tote überhören können.
Doch man hatte sich, vorsichtshalber vermutlich, mit irgendwelchen Aktionen Zeit gelassen. Als jetzt aus der
Vordertür ein Männerkopf auftauchte, waren wir praktisch schon vom Parkplatz.
Ein Stück weit fuhren wir wortlos. Dann fragte ich: »Wie haben die Kerle dich geschnappt?«
»Die hatten ihre Limousine vor dem Büro geparkt. Als ich auf die Straße trat, stieg der größere aus und fragte mich, ob du noch im Büro seist. Nein, sagte ich, du seist zum Krankenhaus gefahren. Ob du noch den Rolls hättest, wollte er wissen. Dummerweise sagte ich ja. Dann fragte er, welches Krankenhaus. Das wüßte ich nicht, sagte ich. Und da zerrte er mich dann ins Auto und schlug mich.« Sie begann zu weinen. »Ich wollte ihnen nichts sagen, aber er schlug und schlug.«
Ich legte einen Arm um ihre Schultern und zog ihren Kopf an mich. »Ist schon gut. Ist schon gut.«
Nach einigen Augenblicken hörte sie auf zu weinen. »Wer sind die Männer? Warum sind sie hinter dir her?«
»Bobbys Ex-Freunde wollen’s mir heimzahlen. Was ich gestern nacht getan habe, gefällt ihnen nicht.«
»Was du heute nacht getan hast, wird ihnen auch nicht gefallen.«
Ich warf ihr einen raschen Blick zu.
Es klang ironisch, fast zynisch. Doch ich begriff, daß sie es in aller Naivität sagte. Ich lächelte. »Da dürftest du recht haben.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Ich muß für eine Weile aus der Stadt verschwinden. Lonergan sagt, er braucht Zeit, um diese Sache in Ordnung zu bringen. Wo ich untertauchen werde, habe ich
Weitere Kostenlose Bücher