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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Es war kurz vor halb zehn.
    »Dann reden wir morgen?«
    »Morgen reden wir nicht.« Er war schon auf dem Weg aus der Küche.
    Dirk Enke hätte nicht Psychotherapeut sein müssen, um zu erkennen, dass die Depression seinem Sohn nicht mehr viel von seiner
     wahren Persönlichkeit ließ.
     
    Manchmal stutzten die Kollegen bei Hannover 96. Tommy Westphal bekam merkwürdige SMS-Nachrichten von ihm. »Wann ist morgen
     Training?« »Wann ist vor dem Spiel Bettruhe?« Warum fragte er das? Das wusste Robert doch alles, das vergaß einer wie Robert
     doch nicht.
    Arnold Bruggink, der seit über drei Jahren mit ihm in Hannover spielte, fiel auf, dass Robert im Trainingsspiel kaum noch
     Emotionen zeigte.
    »Alles in Ordnung, Robert?«
    »Ja klar, geht schon.«
    Die Antworten, die sie von ihm nicht erhielten, gaben sich Tommy Westphal und Arnold Bruggink dann selbst. Vielleicht schlief
     Robert wenig, weil ihn seine Tochter nachts auf Trab hielt. Sicher nagte es an ihm, dass er immer noch nicht spielen konnte,
     dass er die Nummer eins in der Nationalelf erst einmal verloren hatte.
    Der Herbstregen hatte den Rasenplatz aufgeweicht, Robert Enke klebten Grashalme im Gesicht. Nach solch einem Training sagte
     Torwarttrainer Jörg Sievers zu ihm: »Das war super heute, bald bist du wieder so weit.« Sievers meinte es gut mit ihm. Er
     bekam Panik. Er konnte unmöglich spielen mit seinem Kopf, auch nicht mit seinem Körper, bemerkte denn niemand außer ihm, wie
     seine Muskeln schwanden?
    »Er war körperlich nicht in Hochform, aber er war auf Bundesliganiveau«, sagt Jörg Neblung. »Er sah es nur nicht mehr.«
    Er saß abends am Küchentisch, vor ihm türmte sich ein Berg aus Kaubonbon- und Schokoladenpapier. Es war sein Nachtisch. |397| Zuvor hatte er eine Pizza für zwei und ein Schälchen Eis gegessen. Von den neuen Psychopharmaka, die ihm Valentin Markser
     verschrieben hatte, bekam er Heißhunger.
    Jörg saß ihm gegenüber am Tisch. Er war aus Köln gekommen, zum wievielten Mal, wusste er nicht mehr, er war mehr für ihn da
     als für seine Familie. »Um das Spiel gegen Stuttgart am Samstag kommst du noch herum«, sagte Jörg. »Aber dann hast du fünf
     Wochen ausgesetzt, seit die Bakterien entdeckt wurden. Die Journalisten sehen, wie du jeden Tag im Training hältst.« Jörg
     sprach es nicht aus: Nächste Woche musste Robert Enke entweder wieder spielen oder sich offenbaren.

|398| ZWANZIG
Die verstummte Fröhlichkeit der Xylofone
    Das Autoradio schaltete sich automatisch ein, als er den Zündschlüssel im Schloss umdrehte. Er ließ die Musik laufen, er hörte
     sie sowieso nicht. Die B6 war frei, es war Sonntagmorgen, weit und breit nichts zu sehen, was die Situation verhindern konnte,
     auf die er zusteuerte. Gestern hatte Hannover 1:0 gegen den VfB Stuttgart gewonnen. Das letzte Spiel war vorüber, bei dem
     er glaubhaft eine Schonfrist gehabt hatte.
    Er war auf dem Weg zum Stadion. Am liebsten würde er sich richtig dämlich anstellen im Training, dann würden alle erkennen,
     dass er noch nicht spielen konnte. Aber wenn er nicht gut trainierte, würden sich alle fragen, was mit ihm los sei, dann würde
     ihn sicher jemand durchschauen.
    Was half es überhaupt, wenn er um das Spiel am Samstag herumkam? Dann wartete am Samstag danach bloß das nächste Spiel. So
     weit ihn seine Angst vorausblicken ließ, sah Robert Enke nur Prüfungen, an denen er scheitern würde, scheitern musste.
    Der Montag war trainingsfrei. Eine Prüfung weniger – ein Tag mehr, an dem er zu viel Zeit hatte, sich Gedanken zu machen.
     Teresa kam an sein Bett, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Manchmal musste sie mehrmals zurückkommen, bis er es schaffte. Wenn
     Jörg da war, riss er das Fenster auf, nahm Robert das Kopfkissen weg und rief: »Komm, Robbi, liegen bleiben geht nicht, du
     musst da raus, es ist nur dein Kopf, nicht du!« Robert blieb meistens unbeweglich liegen und schwieg. Auch an diesem Morgen
     war es nicht anders. Teresa ging wieder aus dem Schlafzimmer und rief alle paar Minuten von der Treppe »Robbi, aufstehen!«
     zu ihm hinauf, an welchen |399| Irrsinn man sich gewöhnen konnte. Einmal war sie so verzweifelt gewesen, dass sie gegen das Bett trat. Sie ging wieder zu
     ihm ins Zimmer, der Raum hatte nur zwei schmale Fenster, wenn sie wenigstens ein helleres Haus hätten, damit er sich nicht
     so einfach vor dem Tag verkriechen konnte. Er lag im Bett und tat, als sehe er sie gar nicht. Auf einmal jedoch sagte er mit
    

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