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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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linke Toreck, und kaum hatte Robert Enke den Ball gehalten, musste er aufspringen, ein zweiter Schuss flog aufs
     rechte Eck. Drei Wiederholungen, dann war Fromlowitz dran. Wenn sie merkte, Robert verlor in den kurzen Pausen die Körperspannung,
     er ließ den Kopf hängen, trat sie kurz gegen die Werbebande. Er fühlte das Geräusch mehr, als dass er es hörte, und sah zu
     ihr. Sie ballte die Faust. Konzentrieren. Kämpfen.
    Nach zwei Trainingsbesuchen riefen die Sportreporter schon bei Jörg Neblung an. Was mache denn Frau Enke immer beim Training?
    Sie traute sich nicht mehr hin. Weil sie ihn aber nicht täglich auf der halbstündigen Autofahrt den Gedanken überlassen durfte,
     fuhr sie trotzdem weiterhin mit ihm nach Hannover. Mal ging sie ins Landesmuseum. Mal wartete sie im Auto, zwei Stunden lang.
    Damit war es nicht getan. Nachmittags ging es weiter. Er musste beschäftigt werden, er durfte keine Zeit zum Grübeln finden.
     Sie überredete ihn, mit Leila und ihr in den Zoo zu gehen. Abends gab sie ihm einen Bildband der Region Hannover. »Such dir
     ein Ausflugsziel aus, wo wir zusammen hingehen können.«
    Im Zoo sah er ein zehnjähriges Kind mit seinen Eltern streiten und bekam Zukunftsangst: »Wie sollen wir das denn überhaupt
     hinbekommen, mit dem Haus, den Hunden, und wenn Leila dann auch noch groß ist?« Den Bildband zerbiss einer der Hunde, während
     er tagelang unbenutzt neben Roberts Bett lag.
    16. Oktober 2009. Die Mannschaft fährt nach Frankfurt, und ich glaube nicht, dass ich jemals wieder mitfahre.
     
    In dieser Stimmung erhielt er von Teresa die Nachricht, seine Mutter komme.
    |394| Gisela Enke hatte sich wie die anderen in der Familie an Roberts Bitte gehalten, ihn in Ruhe zu lassen. Zurückhaltung galt
     in ihrer Familie als gute Erziehung. Aber der Mutter reichte es. Sie hatte ihren kranken Sohn seit fast zwei Monaten weder
     gesprochen noch gesehen. Sie ließ ihm einfach ausrichten, sie käme nicht seinetwegen, sondern wegen Leila. »Ich will mein
     Enkelkind sehen.«
    Die Mutter saß schon in der Küche in Empede, als er am nächsten Abend vom Training kam. Eine Regung in ihm funktionierte noch.
     Die Anwesenheit der Mutter begeisterte ihn nicht, aber sie entspannte ihn wie früher. Sie machte Rotwein auf, und er trank
     sogar ein Glas mit. Eine unterschwellige Förmlichkeit wich nicht aus ihrem Gespräch, weil die Mutter spürte, dass da etwas
     war, was sie nicht berühren durfte. Aber er bemühte sich um ein Gespräch, was mehr war, als er derzeit den meisten zugestand.
     Er erzählte ihr sogar ein wenig von den Tiefen seiner Krankheit. Als sie sich schließlich vom Tisch erhoben, war es halb elf.
     So lange war er schon seit Wochen nicht mehr aufgeblieben.
    Am nächsten Morgen umarmte er seine Mutter, »schön, dass du hier warst«, machte sich auf den Weg zum Training, und als er
     wiederkam, war es, als ob es die Entspannung des Vorabends nie gegeben hätte.
    »Magst du einen Espresso?«, fragte Teresa nach dem Mittagessen.
    »Nein.«
    »Aber du hast doch immer einen Espresso getrunken.«
    »Jetzt eben nicht.«
    Er wollte sich bestrafen. Er verdiente keine schönen Momente, und gestern hatte er ein Glas Rotwein getrunken, dafür musste
     er sich umso mehr bestrafen.
    Die Mutter erzählte dem Vater von ihrem Besuch.
    »Ich komme nicht an ihn heran«, sagte Dirk Enke.
    »Na, dann mach es doch so wie ich und fahr einfach hin.«
    »Nein, ich will mich nicht aufdrängen. Er ist ein erwachsener Mensch, wenn er mich nicht sehen will, muss ich das respektieren.«
    |395|
    Gisela Enke mit ihrem Sohn Robert auf dem Rücken. [30]
    Doch schließlich fand der Vater einen Weg, die eigene Zurückhaltung zu umgehen. Sein Schwiegersohn hatte sich ein neues Auto
     gekauft, es war in der Volkswagenfabrik Hannover abzuholen. Er könne das doch machen, sagte Dirk Enke.
    Er sei sowieso in der Nähe, deshalb würde er einmal vorbeikommen, sagte er Teresa am Telefon.
    Sie holte ihn vom Bahnhof ab. Robert öffnete seinem Vater die Tür in Empede. Zur Begrüßung sagte er: »Na, hast du ein Glück,
     dass du mich noch lebend siehst.«
    Robert machte keine Anstalten, seine Gereiztheit wegen des Besuchs zu verstecken. Die Aggressivität schaukelte sich hoch.
    »Hast du denn den
Schwarzen Hund
wirklich gelesen?«, fragte der Vater am Küchentisch.
    »Natürlich.«
    |396| »Wie oft?«, kam sofort scharf die nächste Frage.
    »Das Gespräch gefällt mir nicht. Ich gehe ins Bett«, sagte Robert und stand auf.

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