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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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gemächlichen, gleichmäßigen
     Bewegungen der Schiffe lassen einen in Gedanken hundertmal aufbrechen, ankommen, nostalgisch zurückbleiben. Er blickte allenfalls
     durch den Bosporus hindurch. Sein Istanbul bestand ausschließlich aus dem Hotelzimmer. Er nahm den Kugelschreiber des Hotels,
     mit der blauen Tinte und dünnen Mine.
    12.   08.   2003. Ich muss endlich lernen, wirklich auf das zu hören, was mir mein Bauch bzw. Verstand sagt. Ich weiß noch nicht, warum
     ich das mit Fenerbahçe gemacht habe, wahrscheinlich weil ich dachte, ich müsste nur gebraucht werden, dann wäre alles wieder
     im Lot. Aber so einfach ist es leider nicht. Das Jahr in Barcelona hat mich sehr verändert. Das ganze Selbstvertrauen, was
     ich mir in drei Jahren Lissabon aufgebaut habe, habe ich mir wegnehmen lassen. Ich bin in meiner jetzigen Verfassung nicht
     gerüstet für das Fußballgeschäft. Ich wollte mir das lange Zeit nicht eingestehen, obwohl ich es hätte merken müssen: Ich
     war immer froh, wenn ich in irgendwelchen Spielen, und seien es Trainingsspiele, nicht spielen musste. Habe es zwar dann als
     große Ungerechtigkeit dargestellt (was ab und zu vielleicht auch zutraf), war aber immer dann entspannt und gut drauf, wenn
     ich außen vor war. Auch habe ich so eine Angst vor der Meinung der Öffentlichkeit, der Presse und den Blicken der Leute. Die
     Angst lähmt mich. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich in ein Spiel zwar aufgeregt, aber doch relativ unbelastet
     reingegangen bin. Werde versuchen, mir in Zukunft einiges von der Seele zu schreiben. Hoffe, dass es hilft.
     
    |210| »Bist du schon in Istanbul?«, fragte Teresa Jörg am Handy.
    »Im Prinzip schon.«
    »Was heißt das?«
    »Ich bin am Flughafen angekommen, weiß aber nicht, ob ich jemals das Hotel erreichen werde. Der Taxifahrer hält es für angebracht,
     mit 120 Stundenkilometern durch die Stadt zu brettern. Und falls du mich schlecht verstehst: Er hat auch noch alle Fenster
     offen.« Teresa musste lachen. Als ob sie sich abgesprochen hätten, machten Teresa und Jörg seit Sonntag öfter scherzhafte
     Bemerkungen. Irgendwie musste die Verzweiflung doch zu durchbrechen sein.
    Am Hotel wartete bereits der nächste Fahrer auf Jörg Neblung, mit geschlossenen Fenstern, wie er nicht umhinkam zu bemerken.
     Jörg begrüßte Robert kurz, dann musste er schon los, sie würden sich später sehen. Fenerbahçe hatte den Fahrer gestellt, Jörg
     Neblung wusste nicht, wo es hinging, und hatte deshalb das Gefühl, in den hintersten Winkel der Stadt gebracht zu werden.
     In einer Wohnung mit türkischen Teppichen und vielen Sesseln saß er dann fünf Männern der Vereinsspitze gegenüber. Der Präsident
     war nicht gekommen. Aziz Yildirim hatte gleich gewusst, dass dieser Torwart unter seiner Würde war. Neben Daum und seinem
     persönlichen Assistenten Murat Kuşblickten drei Männer mit ernsten Gesichtern Jörg Neblung an. Er kannte sie nicht und hielt
     sie automatisch für Vizepräsidenten. Sie wurden ihm nicht vorgestellt. Sie schrien ihn bereits an. Kuşübersetzte mit jovialer
     Stimme.
    Was bildete sich Jörg Neblung ein, was glaubte er überhaupt, Fenerbahçe so einen Torwart anzudrehen!
    Jörg Neblung kannte die Geschichten von Trainerentlassungen und Spielerrauswürfen in der Türkei. Der Präsident von Bursaspor
     hatte 2000 eine Pistole aus dem Schreibtisch geholt, als sein deutscher Trainer Jörg Berger auf der vertraglich vereinbarten
     Abfindung bestand.
    Jörg Neblung tat, als habe er gar nichts gehört. »Robert braucht eine Therapie, deswegen muss er leider zurück nach Deutschland,
     darauf hat er sich mit dem Trainer geeinigt. Der Verein muss ihn dazu bitte einige Wochen freistellen.«
    |211| »Wie? Wir sollen ihn weiter bezahlen, während er sich in Deutschland ausruht?«
    »Eine Therapie kann er auch hier haben. In Istanbul gibt es wunderbare Häuser für solche Therapien.«
    Ein Hausdiener ging mit einer silbernen Kanne durch den Raum und schenkte den Männern mit eleganten Bewegungen wortlos Tee
     ein.
    »Wenn Enke gehen will, dann soll er gehen. Aber dann wird der Vertrag aufgelöst und fertig!«
    Das sei nicht so einfach, sagte Jörg Neblung. Wenn der Vertrag aufgelöst werde, sei Robert Enke bis zur nächsten Transferphase
     in fünf Monaten arbeitslos. Dann müsste ihn der Verein finanziell schon ein wenig entschädigen.
    »Auf keinen Fall bekommt er auch noch Geld!«
    »Wofür wollen Sie denn Geld? Sie kommen mit dem Geld doch

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