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Robina Krux

Robina Krux

Titel: Robina Krux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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stecken. Und da übergab sie sich, mitten hinein in den Unrat vor ihren Füßen.
    Später begann sie aufzuräumen. Sie hatte ein Containernetz vor die Luke gebreitet und verstaute allen Unrat darin – leere Behälter und beschmutzte Kleidungsstücke.
    Dann säuberte sie den Fußboden, konnte sich nicht entschließen, das Schmutzwasser wieder in den Resorber zu gießen und quittierte so wehmütig den Verlust von mindestens acht Wochen Leben.
    Danach stellte sie den Eimer nach draußen in das Netz, wo der Inhalt sofort zu einem Block gefror. Robina sah die Eisnadeln knistern.
    Sie räumte weiter auf, ergänzte die Vorräte, und dann saß sie auf dem Lager, und sofort stürzten die quälenden Fragen auf sie ein.
    Sie ertappte sich, wie ihre Hand mechanisch nach der Box tastete, dem einzigen Behälter, den sie nicht weggeworfen hatte. Gleichzeitig fühlte sie aber, wie wohl ihr selbst die unangenehme Tätigkeit getan hatte, und sie nahm sich vor, sich nie wieder so lange Zeit dem Medikament auszusetzen, war sich jedoch im Klaren, dass sie – für alle Fälle – den Vorrat suchen würde. ‘Und warum nicht gleich?’
    Draußen stolperte Robina über das Netz.
    ‘Das Zeug müsste weg, unwiederbringlich fort, dass ich es nie mehr sehe! Platz genug böte der Bolid. Aber ab und an stieße ich darauf – oder andere.’ Robina packte erneut Ekel. Sie sagte inbrünstig „Schwein!“ und sann nach einer Möglichkeit, sich des Unrats gänzlich zu entledigen.
    Dann kamen ihr die Signalraketen in den Sinn. Und beinahe mit Elan stürzte sie sich auf die Aufgabe, den Müll in den Raum zu befördern.
    Ein wenig belustigt stellte sie fest, dass gar nicht mehr der Wille, sich von dem Unrat zu befreien, sie trieb, sondern die Aussicht, damit etwas zu tun.
    Sie bündelte die Raketen, trug sie in die Ebene hinein. Dann schleifte sie das Müllnetz dorthin, band es an das aufgerichtete Raketenbündel und zündete.
    Da die Projektile nicht gleichmäßig brannten, begann der Container zu torkeln, fing sich und fauchte schließlich um Haaresbreite über die Randkristalle hinweg in den Raum.
    Robina freute sich über ihren Erfolg. Sie lächelte. ‘Wenn das einmal jemand findet!’ Und ihr fiel ein, dass sie sicher einen erneuten Verstoß gegen das Reglement begangen hatte; freilich wurde ein derartiger Fall nicht ausdrücklich vermerkt.
    Dann begann Robina die Kugeln zu suchen, ‘nur so’, sagte sie sich, ‘damit ich etwas zu tun habe.’
    Später, noch erfolglos bei der Suche, überlegte sie, dass sie sie auch im Wrack übersehen haben könnte, ‘und dorthin’, beschloss sie, ‘gehe ich morgen.’
     
    Sie ging zu Fuß. Während des Marsches begann sie zu singen, ein uraltes Wanderlied, von der Mutter gelernt. Ihr war, als liefe Ed vor ihr, so wie früher, wenn sie zur Freiwoche manchmal in den Schutzgebieten strolchten. Selten dabei Vater. Wochen-, ja monatelang blieb er in seinem Einsatzort in Afrika, schlug oft den regulären Heimurlaub aus. Nicht schnell genug ging es ihm dort. Er erzählte vom Aufbauwillen in den Staaten der Afrikanischen Union, ärgerte sich, wenn die sogenannten Fortgeschrittenen den Solidaritätsverpflichtungen zögerlich nachkamen.
    Vater sang am lautesten, fröhlich, ausgeglichen – eben wie Besuch. Fast alle Käfer kannte er und Pflanzen. ‘Und wie wir an ihm hingen, Ed und ich.
    Und nach dem Verfahren – ein anderer Vater kam zurück. „Ach, lasst ihn nur“, hatte Mutter beruhigt, wenn er wieder einmal ablehnte mitzukommen. „Vater hat zu tun!“ Und ihr fiel dann immer etwas ein, das ablenkte. Sie hat uns bestimmt gern gehabt – gehabt? Sicher haben wir nicht richtig gehandelt, Ed und ich, dass wir sie einfach gehen ließen. Ich werde…
    Nichts wirst du, Robi, zu spät!’ Sie schwieg betroffen. Dann zwang sie sich weiter zu singen.
    Später, nachdenklich, verlangsamte sie den Schritt. ‘Ich muss etwas tun, das mich ausfüllen könnte, etwas Sinnvolles. Sonst könnte ich wirklich gleich…’ Ihre Hand strich über den Helmverschluss.
    ‘Aber was sollte hier schon sinnvoll sein?
    Fotografieren! Ja, diese wunderliche Welt festhalten. Das hatte ich mir doch vorgenommen. Ich werde fotografieren, die Bilder in Serien zusammenstellen…
    Für wen?
    Na, für die Anderen, wenn sie wiederkommen!
    Aber die kennen den Boliden. Die Menschen müssten das sehen, diese Pracht! Die Menschen! In Tausend Jahren vielleicht, vielleicht in Millionen Jahren. Und wenn sie herkommen, brauchen sie meine Bilder nicht.

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